Kritik zu To Rome with Love
Einfach ein paar Ideen über Wünschen, Lieben, Hoffen und Weiteres, was Menschen so umtreibt, locker an einem Ort zusammengebracht: Woody Allens römischer Episodenfilm
Die Aufklärung darüber, wie etwas gemacht wird, wirkt oft entzaubernd. Der vor kurzem angelaufene Woody Allen. A Documentary etwa gewährt einmalige Einblicke darin, wie Allen arbeitet. Seine Ideen notiert er seit Jahrzehnten einfach auf verschiedene Zettel, die er in einer Schublade sammelt. Von Zeit zu Zeit schüttet er die auf seinem Bett aus und geht sie nach Brauchbarem durch. Aus den Ideen wird ein Drehbuch, das er auf einer mechanischen Schreibmaschine tippt. Wenn er Stellen umarbeitet, tippt er sie neu, schneidet die Absätze aus und tackert sie ins vorhandene Manuskript. »Es mag primitiv erscheinen, aber für mich funktioniert’s«, kommentiert Allen seine ganz und gar analogen Arbeitstechniken. Ähnliches trifft in zunehmendem Maße auf seine Filme zu.
Mehr noch als Allens vorvorletzter Film Whatever works von 2009, der dieses Prinzip ja schon im Titel führte, merkt man To Rome with Love die Herkunft aus der Zettelschublade an. Der Episodenfilm bringt einen bunten Strauß an Ideen auf die simpelste Weise zusammen, die das Kino kennt: Sie spielen alle in einer Stadt, in diesem Fall Rom. Die Wahl des Ortes verdankt sich denkbar pragmatischen Erwägungen: Allen nahm lokale Finanzierungsangebote an. Auf den ersten Blick erscheint To Rome with Love also denkbar schlicht zusammengetackert. Trotzdem muss man zugestehen: Es funktioniert. Und mehr noch: dieses Funktionieren entwickelt – wie oft bei Allen – einen ganz eigenen Zauber.
Vier Geschichten sind es, die Allen hier mit voller Absicht eben nicht miteinander verbindet, sondern beständig parallel führt. In der einen kommt ein junges Paar aus der Provinz nach Rom, um mit Hilfe der Patronage eines Onkels ein neues Leben anzufangen. Doch vor dem Treffen mit der einflussreichen Verwandtschaft will die junge Ehefrau noch schnell zu einem Friseur, und schon läuft nichts mehr wie geplant. Ein Handy landet im Gulli, ein Filmstar sucht Abwechslung, eine Prostituierte irrt sich in der Hoteltür. Und in klassischer Verwechslungskomödienmanier münden lauter Lügen am Ende in einer größeren Ehrlichkeit.
In der nächsten Geschichte begegnen sich ein älterer und ein jüngerer Mann in Trastevere und kommen ins Gespräch. Was als reale Episode beginnt, verwandelt sich in eine Geisterfarce, in der der ältere Mann (Alec Baldwin) dem jüngeren (Jesse Eisenberg) bei dessen sich anbahnenden Liebeswirren über die Schulter guckt und versucht, ihn von falschen Entscheidungen abzuhalten. Großen Erfolg hat er dabei nicht – eine leicht bittere Parabel über das Unnütze der Altersweisheit.
Die dritte Episode kommt als Satire auf den Celebrity-Kult daher, in der sich Bekanntheit als Tautologie verselbstständigt hat: Man ist berühmt dafür, berühmt zu sein. Roberto Benigni als unauffälliger Familienvater findet sich eines Tages plötzlich von Medien belagert, die alles über ihn erfahren wollen, selbst ob er sich morgens seine Zähne geputzt habe. Natürlich ist es dem schüchternen Mann läs-tig, doch Benigni gelingt es, in der Abwehr gegen den Rummel zugleich auszudrücken, wie sehr hier ein ewig unerfüllter Kinderwunsch in Erfüllung geht: der nach totaler Aufmerksamkeit.
Noch weiter ins Absurde wagt sich die vierte Episode vor. In ihr tritt Woody Allen selbst als ehemaliger Opernregisseur auf, der in Rom zufällig ein einmaliges Sängertalent entdeckt. Es stellt sich heraus, dass der Mann, Bestatter von Beruf (und gespielt von Tenor- Weltstar Fabio Armiliato), jedoch nur unter der Dusche singen kann. Was den Regisseur nicht davon abbringt, den Mann trotzdem auf die große Bühne bringen zu wollen, und sei es samt Duschkabine . . .
Einer der Gründe, warum das alles so gut funktioniert, sind natürlich die Schauspieler, die hier so befreit aufspielen, als seien sie allesamt auf Urlaub: der wunderbar wehmütige Alec Baldwin, eine herrlich neurotische Ellen Page, die großartig spröde Judy Davis, Penélope Cruz, so warmherzig und sexy wie nie, und eine ganze Phalanx weiterer Darsteller aus Europa und den USA. Hinzu kommt aber noch der ganz eigene Charme, der von Woody Allens Nonchalance ausgeht, so schulterzuckend wie entwaffnend auf ein paar Ideen und deren »Funktionieren« zu vertrauen.
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