Kritik zu Röbi geht

© Mindjazz Pictures

Christian Labhart und Heidi Schmid porträtieren einen Mann, der die Selbstbestimmung über sein Leben bis in den Krebstod behaupten will

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Aus der Schweiz, wie auch die Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross oder die dem selbstbestimmten Sterben verschriebene Organisation Exit, kommt dieser Dokumentarfilm, der in einer gelungenen Verschränkung aus einem krankheitsbedingt bestimmten Tod eine Hommage an das gelungene Leben macht. Robert Widmer-Demuth ist ein Kerl von einem Mann, der mit seinem prächtigen Vollbart sicherlich mit auf jede Kaperfahrt gehen dürfte. Der 1945 geborene Sozial­arbeiter war aber auch ein typischer 68er, der nicht nur in seiner bei Zürich gelegenen Dorfgemeinde politisch mitmischte und die beiden Söhne antiautoritär erzog. Wenn Röbi mit seiner gehbehinderten Ehefrau Heidi auf dem Dreirad und den Kindern im Schlepptau wilde Streifzüge über Land machte, war den Kids der exuberante Papa schon peinlich, erinnert sich einer der Söhne im Film. 

Doch auch die nächste Generation wächst in enger Bindung zum Opa und dessen fantasievoll versponnenen Geschichten von »Wischiwaschiwuschiba« und »Zappzarapli« auf. In fast gleichem Ton erzählt Röbi von einer Diagnose, die er im Spital bekam: Das sei etwas auf der Lunge, »was man nicht wegbringt«, sagt er. Und gemeinsam mit Ehefrau Heidi habe er sich entschlossen, sich neben der hausärztlichen Betreuung durch eine Freundin keiner klinischen Behandlung zu unterziehen und das näher gekommene Lebensende als Schicksal zu akzeptieren. Erst wenn die Schmerzen das Leben zu stark überschatten, wolle er selbstbestimmt in den Freitod gehen.

Das Schweizer Filmemacher-Paar Christian Labhart und Heidi Schmid begleitet Röbi und seine Umgebung durch die folgenden Monate im dörflichen Alltag um das von wildem Wein umwucherte Häuschen, hinter dessen Sprossenfenstern alte Bücher, Basteleien, persönliche Memorabilien und der Haushund lebendige Koexistenz pflegen. Hier backt Röbi mit der Enkelin Kuchen, schwelgt mit Heidi in Erinnerungen und erhält Besuche von Freunden, Nachbarn und Bewohnern des Zürcher Obdachlosenprojekts »Sunebogen« (Sonnenbogen) dessen Mitaufbau Röbis Lebensaufgabe war. 

Dazu gibt es von Röbi selbst gedrehte Super-8-Filme aus frühen Jahren, Gedichte (auch über das »Krebslein«) und einen Tanz zur Jukebox mit der Frau, die einmal trotz Schmerzen drei Nächte mit ihm durchtanzte und bald allein zurückbleiben wird. Besonders von den Obdachlosen habe er viel gelernt, antwortet Röbi auf die Frage eines Freundes nach eventuellen Mentoren für seine gelassene Haltung zu Leben und Tod. Erst sind solche Gespräche noch fast abstrakt. Doch dann nimmt Röbis Gewicht immer stärker ab und die Schmerzen zu. Und nach einer berührend offenen Aussprache mit Heidi vor der Kamera blendet sich der Film diskret – und etwas konventionell – in eine Abenddämmerung aus: »Zusammen mit Blumen denken Sie bitte auch an Geflüchtete, Hungernde, Arme«, heißt es in der noch von Röbli selbst verfassten Todesanzeige zum 18. August 2022.

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