Kritik zu Pianomania
Mehr Magie! Die Dokumentarfilmer Lilian Franck und Robert Cibis beobachten einen Pianisten und einen Klavierstimmer auf der Suche nach den perfekten Bedingungen für eine Aufnahme
Prächtige Jugendstilfassade, Schubert-Saal, im Keller diverse Konzertflügel feinster Provenienz: Wir sind im Wiener Konzerthaus, einem Zentrum klassischer Musikkultur. Hier ist der Arbeitsplatz von Stefan Knüpfer, dem Cheftechniker von Steinway in Austria, der seinen Beruf aber noch ganz nach traditioneller Klavierstimmermanier ausübt. Während andere seines Fachs die Tonwerte längst mit Akustik-Hightech vermessen, traut Knüpfer nur seinem Ohr, bevor er an Kleinteilen und Saiten pfriemelt, um dem Instrument die vom jeweiligen Klavierkünstler erwünschten Klangfarben zu entlocken: Jedesmal eine – auch kommunikative – Herausforderung, denn Klangqualitäten lassen sich ähnlich schlecht verbalisieren wie Weinaromen. Was bedeutet es technisch, wenn »mehr Magie« gefordert wird oder ein »Ton nicht richtig atmet«?
Klassikstars wie Lang Lang und Wolfgang Brendel gehören zu Knüpfers Klienten. Im Zentrum dieses vielfach preisgekrönten Films steht aber Knüpfers Arbeit mit dem französischen Pianisten Pierre-Laurent Aimard, der hier eine Aufnahme von Bachs »Kunst der Fuge« einspielen will. Aimard ist Klangfanatiker, aber auch ein Melancholiker mit lakonischem Humor und miesepetrischer Mimik, die ihn zum Hauptdarsteller prädestinieren. Die Kombination mit dem aufgeweckten Klaviertechniker Knüpfer ergibt ein dokumentarisches Traumpaar, das – ganz in der Tradition von Volker Koepps so populär gewordenem Herr Zwilling und Frau Zuckermann – zwei unterschiedliche Charaktere in gemeinsamer Obsession verbindet: Aimard beschreibt eine erwünschte »Clavichord-Situation« oder einen Obertonaufbau. Knüpfer lauscht, schraubt und feilt – und schleppt auch mal eigenhändig einen Klavierschemel aus dem Keller aufs Podium. Ein ganzes Jahr dauern die Vorbereitungen für die Aufnahmen, von der Auswahl des Flügels bis zum langwierigen Einrichten am Schluss. In komischen Nebenparts glänzen dabei die beiden Tonmeister an den Mischpulten, die dafür sorgen, dass Aimards manchmal verwegene Klangvorstellungen die Grenzen der Konvention nicht allzu sehr überschreiten.
Die Filmemacher Robert Cibis und Lilian Franck (»Jesus liebt dich«, 2008) sind von ähnlichem Perfektionswillen besessen wie ihre Protagonisten und geben sich nicht mit halben Lösungen zufrieden. Zweieinhalb Jahre haben sie gedreht, viele Energien sind in Vertrauensbildung und Tontechnik geflossen. Dazu kommen konzentrierte Durchdringung von Thema und Material und das sichere Gespür für dessen wesentliche Momente. So wird aus dem erst mal bildungsbürgerlich klingenden Stoff ein lebendiges Plädoyer für gemeinschaftliche handwerkliche Arbeit: Zwei Menschen, die mit Leidenschaft am Objekt um höchste Präzision kämpfen. Zuschauer mit wenig gebildetem Gehör dürften dabei trotz (oder gerade wegen) der aufwendigen Tongestaltung leicht erschüttert sein, die ausgiebig besprochenen Klangqualitäten selbst gar nicht wahrzunehmen. Der ansteckenden Faszination, die dieser Film auslöst, tut das keinen Abbruch. Es müssen ja nicht unbedingt Obertonreihen sein.
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