Kritik zu Nightwatch: Demons Are Forever
30 Jahre nach seinem Überraschungshit-Debüt »Nightwatch« schaut Ole Bornedal noch mal bei den Überlebenden vorbei und spinnt die Geschichte generationsübergreifend weiter
Es gibt Dinge, die Menschen einfach nur in Horrorfilmen tun, dieses Spiel mit dem Feuer, das den Funken einer Erzählung zündet: beispielsweise wider besseres Wissen Abkürzungen über dunkle Waldwege nehmen, unheilvoll verschlossene Türen öffnen oder, noch schlimmer, einen Job im selben Leichenschauhaus annehmen, in dem sich der eigene Vater vor 30 Jahren als Nachtwächter ein Lebenstrauma eingefangen hat.
30 Jahre nach seinem Überraschungshit-Debüt »Nightwatch« (und einem ebenfalls von ihm inszenierten US-Remake mit Ewan McGregor und Nick Nolte) schaut Ole Bornedal nun noch mal bei den Überlebenden vorbei und spinnt die Geschichte generationsübergreifend weiter, und zwar in Form einer doppelten Familienangelegenheit. In der Welt des Films fragt sich die Tochter des Nachtwächters, warum ihre Mutter sich vor kurzem erhängt hat und wie sie ihren Vater (Nikolaj Coster-Waldau nimmt seine eigene Rolle ebenso wieder auf wie Kim Bodnia) aus einer tiefsitzenden Depression in ihr Leben zurückholen kann. Und der Regisseur besetzt die Rolle der Filmtochter Emma mit seiner eigenen Tochter, der Schauspielerin Fanny Leander Bornedal (»Die Brücke – Transit in den Tod«, »Munch«). Die fürchtet, die psychischen Defekte und Traumata vererbt zu bekommen, und beginnt, nach Erklärungen zu suchen. Dabei stößt sie auf Zeitungsausschnitte, in denen die Ereignisse von damals reißerisch thematisiert werden.
Mit der rund zehn Jahre nachgeborenen Emma werden auch die Zuschauer, die den ersten Film nicht gesehen oder vergessen haben, auf den aktuellen Stand gebracht. Als Medizinstudentin weiß sie, dass sich solch einschneidende Erlebnisse nicht verdrängen lassen, dass man sie nur überwinden kann, indem man sie konfrontiert, geht dabei allerdings ungeschickt und grob fahrlässig in die Vollen: Mit Unterstützung ihres Freundes erschwindelt sie sich einen Besuchstermin bei dem als Täter überführten Kriminalkommissar von damals. Der dämmert gebrechlich und blind in einer Zelle vor sich hin, die wie die Höhle eines sterbenskranken, verfaulenden Tieres anmutet. »Schau, wie armselig der ist!«, spricht Emma ihren Vater über die Handykamera an und ahnt nicht, welche Dämonen sie weckt. Und dann tritt sie die Stelle als Nachtwächterin an.
Im Grunde ist dieses Konstrukt recht gewitzt, jedenfalls origineller als viele übers Knie gebrochene Fortsetzungen. Und vieles, was zunächst konstruiert bis unmöglich erscheint, erklärt sich im Verlauf der Ereignisse. Vor allem aber ist die Fortsetzung, wie schon das Original, überzeugend atmosphärisch düster angelegt, mit blassgelb gefliesten Wänden, die Sterilität signalisieren und zugleich die Patina des Verfalls tragen, in labyrinthischen Krankenhausgängen, fensterlosen Katakomben, unheimlichen Obduktionsräumen und modrigen Gefängniszellen. Dazu das Spiel mit Licht, Schatten und Geräuschen, das hallende Klackern von Absätzen, das kratzende Geräusch eines Messers, das beim Gehen an der Wand entlang gezogen wird . . . Gepflegter Grusel, immerhin.
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