Kritik zu Possession – Das Dunkle in dir
In seinem nach Freeze – Alptraum Nachtwache von 1997 zweiten in Amerika entstandenen Film bedient der dänische Regisseur Ole Bornedal so ziemlich alle Konventionen des Exorzistenkinos
Immer wieder blickt Dan Laustsens Kamera senkrecht von oben auf die Erde herab. Dieser Blick, der sonst eigentlich Satelliten vorbehalten ist, offenbart die gleichförmigen Strukturen, die so viele amerikanische Vorstadtsiedlungen prägen. Man meint fast, die Reißbrettentwürfe zu erkennen, die ihnen zugrunde liegen. Doch da ist noch etwas anderes in diesen Bildern, etwas Irritierendes und Beunruhigendes. Vielleicht liegt es an der Perspektive, die neben einem Satelliten eben auch eine fremde, das Schicksal der Menschen beobachtende Macht suggeriert. Eine Macht wie die, die von der 10-jährigen Em (Natasha Calis) Besitz ergreift.
Seit der Scheidung ihrer Eltern Clyde ( Jeffrey Dean Morgan) und Stephanie (Kyra Sedgwick) pendeln Em und ihre ein paar Jahre ältere Schwester Hannah (Madison Davenport) zwischen zwei Häusern hin und her. In der Woche sind sie bei ihrer Mutter und deren neuem Freund, einem Zahnarzt. Am Wochenende wohnen sie bei Clyde, der ihnen jeden Wunsch erfüllt. Während Hannah sich von all seinen Bemühungen unbeeindruckt zeigt, ist Em die perfekte Tochter. Das ändert sich allerdings, kurz nachdem Em bei einem Vorgartenverkauf eine mysteriöse Holzbox entdeckt hat. Die mit hebräischen Schriftzeichen übersäte Kiste zieht das Mädchen immer mehr in ihren Bann. Em verändert sich. Sie wird schweigsam, zieht sich zurück, reagiert immer aggressiver und entwickelt einen geradezu unnatürlichen Appetit auf rohes Fleisch.
Beinahe 40 Jahre ist es her, seit William Friedkin in Der Exorzist Wissenschaft und Mystik aufeinanderprallen und dabei gleich beide Seiten grausam scheitern ließ. Die alten Rituale der römisch-katholischen Kirche erwiesen sich zwar als mächtiger als die Apparate der modernen Medizin. Doch dem Bösen konnten sie letzten Endes beide nicht beikommen. Im Prinzip funktionieren alle Exorzismusfilme nach den gleichen Regeln. Das gilt auch für Ole Bornedals zweite amerikanische Regiearbeit, die zudem von Sam Raimi produziert wurde und auf realen Ereignissen basieren soll. Allerdings ist es hier ausgerechnet ein moderner medizinischer Apparat, der den Beweis für Ems Besessenheit liefert. Ein Ganzkörper-Scan zeigt ein Wesen, das sich in dem Mädchen eingenistet hat. Zudem ist der Exorzist ein jüdisch-orthodoxer Rabbiner, der von dem Rapmusiker Matisyahu gespielt wird, und der Dämon ein Dibbuk. Aber ansonsten bleibt alles mehr oder weniger beim Alten. Trotzdem gewinnen der dänische Regisseur und sein Kameramann dem Scheidungstrauma der beiden Schwestern und den krampfhaften Versuchen ihrer Eltern, so etwas wie Normalität herzustellen, einige wirklich spannende und zudem psychologisch sehr ausgefeilte Momente ab.
Während einer zutiefst verstörenden Konfrontation zwischen Em und ihrer Mutter verwandelt sich die nächtliche Küche in ein familiäres Schlachtfeld, auf dem weitaus mehr als nur Glas und Porzellan zu Bruch gehen. Der Zerfall einer Familie gebiert seine eigenen Dämonen, denen dann in einer doch etwas simplen Wendung der neue Freund der Mutter zum Opfer fällt.
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