Kritik zu My Sailor, My Love

© Arsenal Filmverleih

Sanft und eindringlich erzählt Klaus Härö von einer späten Liebe im Leben, die die Traumata einer Familie offenlegt

Bewertung: 3
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Verletzungen, die man anderen Menschen zugefügt hat, lassen sich manchmal in der nächsten Beziehung sehr viel besser wiedergutmachen. Es hat etwas mit dem Lernen aus der Erfahrung zu tun, definitiv spielt auch der Zauber, die Chance des Neuen eine Rolle. In seinem englischsprachigen Debüt »My Sailor, My Love« erzählt der Finne Klaus Härö von Familientraumata, die erst dann aufbrechen, als ein alter grummeliger Mann sein spätes Glück findet. Er erzählt von der Sprachlosigkeit in dysfunktionalen Familienkonstellationen, von Bedauern und später Einsicht und dem Wunsch nach Anerkennung und Liebe.

Vor der rau-idyllischen Kulisse der irischen Insel Achill Island beginnt das Drama wie eine schon häufig erzählte Romanze. Ein pensionierter und verwitweter Kapitän hört in seinem abgelegenen Häuschen an der Küste auf, sich um sich zu kümmern. Seine Tage verbringt er Kreuzworträtsel lösend im Wohnzimmersessel. Also engagiert seine erwachsene Tochter Grace (Catherine Walker) eine sanfte, aber durchaus selbstbewusste ältere Frau aus dem Dorf. Nach anfänglicher Ablehnung öffnet Howard (James Cosmo) erst sein Haus und dann sein Herz für die warmherzige Annie (Bríd Brennan). 

Die Wesensverwandlung ihres Vaters macht Tochter Grace ihre Verletzungen umso bewusster. Nach Jahren der schroffen Ablehnung ist Howard nun in Annies Gegenwart der Mann, Vater und Großvater, den sich Grace immer gewünscht hat. Auf seine Tochter lässt Howard sich dennoch nicht mehr ein, so innig und verzweifelt diese sich das wünscht. Also versucht sie, Howard und Annie auseinanderzutreiben. 

In schönen Bildern, manchmal nahe am Kitsch, erzählt Härö von diesen Beziehungen. Von Grace, die sich schon als Jugendliche um die depressive Mutter gekümmert hat und nun als Krankenschwester stets für andere da ist. Dankbarkeit oder gar Anerkennung erhält sie wenig. So wie sich ihr Vater der Aussprache verweigert, verweigert sie sich ihrem Mann. In einer Gruppentherapie soll sie ihre Gefühle herausbrüllen, doch Grace bleibt stumm. Es ist eine Sprachlosigkeit, die die Fronten verhärten lässt. 

Die Grausamkeiten, Verletzungen weiß Härö immer wieder in Bildern einzufangen: Wie Howard die aufwendige Konditor-Geburtstagstorte von Grace ablehnt, um später ein selbst gebackenes Stück Kuchen im Pub zu essen. Wie Annie ihm liebevoll in der mit frischen Hortensien dekorierten Küche das Essen zubereitet, während ihm Grace eine Mahlzeit aus der Mikrowelle serviert. Geschickt zeigt er, wie der unwirsche, in sich gefangene Howard von Annie erlöst wird. Ebenso spürt er auf, wie die Grausamkeiten der Vergangenheit bis heute nachwirken. Er kontrastiert das mit den idyllischen Bildern, dem sich wiederholenden Klavier-Score und trägt dabei manchmal ein wenig dick auf. Die Tiefe seiner Figuren Howard und Grace ergründet er nicht vollends. Und dennoch ist »My Sailor, My Love« ein tief bewegendes Drama mit einem großartigen Cast, das es sich lohnt anzusehen – vielleicht auch um die eigene Familiengeschichte zu hinterfragen.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt