Kritik zu Die Kinder des Fechters

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Ein von Stalin verfolgter Fechtsportler flieht in den fünfziger Jahren aus Leningrad nach Estland und inspiriert dort in einer Kleinstadt eine Schulklasse. Finnland schickt den Film ins Rennen um den Auslands-Oscar

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Wie passt der Fechtsport zum Sozialismus? Gar nicht, würden die meisten wohl antworten und dabei an vergangene feudale Gesellschaftsordnungen denken, in denen Duelle als Beweis von Mannesmut galten. Der Fechtsport sei »keine volksnahe Sportart«, urteilt denn auch der Schuldirektor in diesem Film, der Anfang der fünfziger Jahre in Estland spielt, einem Land, das eine lange Geschichte fremder Besatzungsmächte zu ertragen hatte: Im Zweiten Weltkrieg abwechselnd von Deutschen und Russen besetzt, steht es seit 1945 unter Stalins Herrschaft.

Zu Beginn steigt ein Mann aus dem Zug: Endel (Märt Avandi) befindet sich, wie wir später erfahren, auf der Flucht vor Stalins Geheimpolizei, weil er als 18-Jähriger, zusammen mit seinen Klassenkameraden, von den Deutschen eingezogen wurde. Mittlerweile hat er den Namen seiner Mutter angenommen und taucht in der estnischen Kleinstadt unter, um hier als Sportlehrer seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die dafür vorhandenen Ausrüstungsgegenstände sind bescheiden und in keinem guten Zustand, aber mit seinen Fechtdemonstrationen vermag Endel gleich die Aufmerksamkeit der Schüler zu erringen, die für jede Abwechslung im monotonen Alltag dankbar sind. Das stößt auch auf Anerkennung bei deren Eltern – der Versuch des Schuldirektors, seine negative Auffassung vom Fechtsport von ihnen sanktionieren zu lassen, misslingt, als sich bei einer von ihm einberufenen Elternversammlung immer mehr für den Fechtsport aussprechen.

Lehrer und Schüler: Die Geschichte einer großen Inspiration hat das Kino immer wieder erzählt. Auch in »Die Kinder des Fechters« gibt es im Lauf der Geschichte eine Herausforderung, an der die Schüler wachsen, hier ein nationales Fechtturnier in Leningrad, jener Stadt, aus der Endel zu Beginn geflohen war. »Mein ganzes Leben bin ich weggelaufen«, erklärt er seiner Kollegin, zu der er gerade eine Liebesbeziehung aufgebaut hat. Jetzt wird er sich, um seiner Schüler willen, in die Höhle des Löwen begeben.

Der Schlussteil des Films bedient sich einer klassischen Spannungsdramaturgie. Da ist zum einen der Kampf David gegen Goliath (bei dem Martha, die jüngste und enthusiastischte in Endels Team, schließlich gegen einen körperlich stärkeren Gegner antritt), zum anderen die drohende Verhaftung Endels. Die wird in Zeitlupe inszeniert, das Happy End kommt erst in einer Coda mit Stalins Tod, als Endel zurückkehren kann in die Kleinstadt, wo er schon erwartet wird.

Das alles – basierend auf der Lebensgeschichte von Endel Nelis (1925–1993) – ist ziemlich vorhersehbar, vermag aber durch die verhaltene Erzählweise den Zuschauer durchaus für sich einzunehmen. Persönlich ist dem Regisseur Klaus Härö mit seinem fünften Film ein kleines Kunststück gelungen, markiert er doch bereits seine vierte Nominierung als finnischer Kandidat für den Auslands-Oscar.

Meinung zum Thema

Kommentare

Hervorragender Film. Habe in der gleichen Zeit angefangen zu fechten und kann diese Nachkriegskinder gut verstehen. Der Schluss mit dem Sieg von David gegen Goliath ist zwar aus fechterischer Sicht etwas durchsichtig, aber trotzdem, ergreifend.

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