Kritik zu Müll im Garten Eden
Mit den paradiesischen Zuständen ist es zu Ende, seit in der kleinen anatolischen Gemeinde am Schwarzen Meer eine Mülldeponie errichtet wurde. Der Regisseur Fatih Akin war dabei. Nicht ganz zufällig: Aus der Provinz Trabzon stammt seine Familie
Es ist sieben Jahre her, dass Fatih Akin mit seinem Vater nach Çamburnu in die türkische Provinz Trabzon am Schwarzen Meer aufbrach, weil er das Fleckchen Erde kennenlernen
wollte, von dem seine Großeltern stammten, ein Stück Heimat. Das saftige Grün der Teesträucher, die friedvolle Stille, die bunten Bauernhäuschen, die wie exotische Blüten im üppigen Garten Eden sprießen, das schiere Paradies überfallen den Zuschauer mit gleicher Strahlkraft wie damals den Filmemacher. Aber nicht lange. Schon hagelt es Proteste,
eine farbenfrohe Frauenschar kommt ins Bild, auch ein paar Männer, die gegen die ausgerechnet oberhalb des Dorfes geplante Mülldeponie Stimmung machen.
Das von langer Hand geplante, »von oben« oktroyierte Projekt sollte Abhilfe für die Abfälle schaffen, die traditionell im Meer versenkt wurden. Ein an sich sinnvoller Plan, wie er vielen Mittelmeeranrainern gut anstehen würde, doch die schlampige Durchführung machte alles wieder zunichte. Fatih Akin stellte sich an die Spitze der Protestierer und holte die Kamera hervor – daraus entwickelte sich eine Langzeitbeobachtung (von 2007 bis 2012), das Dokument einer verheerenden Umweltkatastrophe. Der Film Müll im Garten Eden ist von mehr als lokaler Bedeutung und führt uns eine bekannte, aber auch eine ganz »andere« Türkei vor Augen.
Heute sind viele weggezogen; die erbittertste und zugleich älteste Demonstrantin ist verstorben; von ihren zwei Töchtern ist nur eine auf der Teeplantage geblieben, die andere
nach Istanbul gezogen. Nicht wenige haben resigniert: vor dem verschandelten Dorf, das wiederholt von den schwarzen Abwässern der Deponie heimgesucht wurde, vor dem unerträglichen Gestank, vor den unheimlichen Vogelschwärmen und anderem Getier, das auf der Mülldeponie heimisch wurde, Dorf und Teeplantagen zukackt, vor einer Umweltzerstörung, die von der Verwaltung ausgeblendet und von den Teehändlern weggeredet wird. Geblieben ist der harte Kern der dörflichen Widerstandsbewegung, die ein erstaunliches Umwelt- und Kampfbewusstsein an den Tag legt. Als Hauptgegner erscheinen Verwaltung und Staat, die mit doppelter Zunge sprechen. So hat die Gemeinde baldigst gegen die Errichtung der Deponie geklagt, aber ein Baustopp blieb aus; im Gegenzug wurde der Bürgermeister wegen Behinderung der Staatsinteressen vor den Kadi zitiert und verurteilt. Und der Volkszorn entlädt sich beim Singen in der Kneipe: » . . . die Regierung hat uns an der Nase herumgeführt«.
Am praktischen Beispiel führt der Film vor, wie Demokratie im Alltag praktiziert, sprich: ausgeschaltet wird. Viele Details sind durch die Mithilfe des Dorffotografen in den Film eingegangen: Parfüm gegen den Gestank, Basteleien an zu kleinen Rohren und zu dünnen Abdeckplanen, zuletzt der Zusammenbruch der Kläranlage – vor allem aber der Mut der Bauersfrauen.
Fatih Akin glaubt, dass der Film etwas verändern kann – doch eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Das neue »Tiefseeversorgungssystem « von Trabzon sieht so aus: Tankwagen pumpen die überschüssigen Abwässer der Deponie in einen Kanaldeckel, direkt am Strand. Und der Umweltbeauftragte schweigt.
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