Kritik zu Missverstanden

Trailer OmU © Rapid Eye Movies

Asia Argento stellt in ihrer dritten abendfüllenden Regiearbeit ein neunjähriges Mädchen ins Zentrum, das sich von ihren in Scheidung lebenden Eltern verlassen und missverstanden fühlt

Bewertung: 4
Leserbewertung
3.5
3.5 (Stimmen: 2)

Aria (Giulia Salerno), das Mädchen im Mittelpunkt von Asia Argentos Film Missverstanden, trägt den zweiten Vornamen der Autorin und Regisseurin. Auch die Familienaufstellung des Plots, Arias Pendeln zwischen den zerstrittenen Eltern und ihren Liebesentzugsanfällen, könnte autobiografisch inspiriert sein. Wie ihre Protagonistin wuchs Asia Argento als Tochter des italienischen »Giallo«-Meisters Dario Argento und seines Horror-Filmstars Daria Nicolodi nach der Trennung der Eltern in den 80er Jahren unter Film- und Fernsehpromis in Rom auf. Vor ihrer Karriere als Arthouse-Filmerin und Literatin kultivierte die heute 39-Jährige eine exaltierte Modelkarriere, die Spuren zu Arias frühen Schminkorgien in Missverstanden legt. Den »Dark Lady«-Glamour ihrer Mutter übertrug sie ins Popbusiness, indem sie vorzugsweise Edel-Trash à la Versace auf ihrem bunt gestochenen Leib präsentierte und dabei den Schutzengel unterhalb ihres Bauchnabels freilegte. Das Familiengeschäft stilvoll übertriebener Mystifikation versteht sie perfekt, neuerdings auch mit rauchigem Sprechgesang in selbst produzierten Popsongs.

Missverstanden erzählt einen Episodenreigen aus der Perspektive einer aufgeweckten Neunjährigen, die unter den Kindern ihrer Klasse und bei ihrer besten Freundin um den Platz ringt, den ihr die Skandalfamilie verweigert. Arias Mutter (Charlotte Gainsbourg), eine Pianistin und verwegen schrille Post-Hippiebraut, liefert sich pittoresk unflätige Auseinandersetzungen mit dem Stiefvater (Gabriel Garko). Der launische B-Filmstar fühlt sich gehörnt und zieht bald mit Arias älterer Schwester, einem süßkramsüchtigen intriganten Pummel in Pink, in eine andere Wohnung. Die Mutter bevorzugt die zweite, klavierspielende Schwester, während Aria, die jüngste, in drastischen Szenen gemaßregelt und alleingelassen wird. Immer dann, wenn sie etwas angestellt hat oder den abergläubischen Stiefvater mit ihrer schwarzen Katze verschreckt, wird sie hinausgeworfen. Inbild von Missverstanden ist die wiederholte Szene, in der die Kleine nachts den Katzenkorb  und ihre Tasche durch die Stadt schleppt, um beim jeweils anderen Elternteil Unterkunft zu suchen.

Giftig gelbe Farbtöne vereinen die abrupt geschnittenen Kontrastwelten des Films. Die Kamera springt von der Augenhöhe kindlicher Erfahrung oft in extreme Aufsichten auf die Familienszenen, als würde man Hamster im Käfig beobachten. In der Schule um ihre Promi-Eltern und um ihre guten Aufsätze beneidet, legt das Mädchen mit seiner besten Freundin einen schützenden Kokon um sich. Die Kamera öffnet Räume für ihre Streiche, wenn sie sich die Haare abschneiden, Post aus Briefkästen klauen, den Ekel vor der ersten Zigarette durchstehen und ruppig verliebte Machojungs veralbern.

Doch Asia Argento kommt es nicht auf anrührende Kindergeschichten an. Sie erzählt die Genregeschichte vom »armen reichen Kind« als Gesellschaftssatire noch einmal neu. Arias Spiele fangen an, die Welt der kindischen Erwachsenen zu kopieren.

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