Kritik zu Milchzähne
Die schweizerisch-deutsch-schwedische Regisseurin Sophia Bösch verfilmt den gleichnamigen Roman von Helene Bukowski und zeigt eine dystopische Welt voller Aberglaube und Ängsten
Ein dystopischer Ort irgendwo im Nirgendwo: Skalde (Mathilde Bundschuh) lebt hier mit ihrer Mutter Edith (Susanne Wolff), die in der Dorfgemeinschaft als geächtete Außenseiterin gilt. Skalde aber hat sich ihren Platz erkämpft. Eines Tages steht auf einmal ein fremdes Kind (Viola Hinz) vor ihrer Haustür. Sie heißt Meisis und sagt, sie könne sich nicht erinnern, was geschehen sei. Fremde sind im Dorf eigentlich nicht geduldet, auch aus Angst vor bösen Kreaturen, von denen alte Sagen berichten und die angeblich für den zuletzt häufig vorkommenden Tod von Vieh verantwortlich sind. Als Edith und Skalde sich dennoch entscheiden, das Kind bei sich aufzunehmen, ruft das die Dorfgemeinschaft auf den Plan.
Sophia Bösch entwirft die dystopische Welt, ohne ihre Hintergründe genau zu definieren. Wo die Handlung spielt und was geschehen ist, bleibt vage. In der abgeschotteten Gemeinschaft gibt es Autos und Strom, doch die Menschen leben als Selbstversorger. Aberglaube und Mythen spielen eine große Rolle. Mit sparsamen Mitteln kreiert Bösch Anklänge von Folk-Horror und Mystery und erzeugt das Gefühl gesellschaftlicher Enge. Die Vagheit des Worldbuildings setzt sich bei der Figurenzeichnung fort; auch die Hintergründe von Edith und ihre belastete Beziehung zu Skalde werden nur wenig erklärt. Als Zuschauer ist man aufgefordert, sich die Welt selbst zu erschließen. Themen wie Fremdenfeindlichkeit und der Wunsch nach Zugehörigkeit knüpfen nahtlos an die reale Welt an, das in der Buchvorlage aufgeworfene Motiv der Klimakatastrophe kommt hier allerdings nur am Rande vor.
Es ist vor allem die Atmosphäre, mit der »Milchzähne« fasziniert: bestechende Naturaufnahmen und ein unklares Gefühl der Bedrohung. Die Vagheit des Films befeuert diese Atmosphäre, sie sorgt allerdings auch für Distanz zu den Figuren. Obwohl Mathilde Bundschuh ihr Bestes gibt, die Zerrissenheit ihrer Figur zu zeigen, lässt ihr Ausbruch aus den strengen Regeln der Gesellschaft eher kalt. Stattdessen folgt man der Handlung kühl analysierend.
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