Kritik zu Men on the Bridge

Trailer, OmeU © Farbfilm

Regisseurin Aslı Özge zeigt in ihrem semidokumentarischen Kinodebüt mit viel kritischer Sympathie drei Männerleben im Großstadtdschungel von Istanbul, gefangen zwischen traditioneller Versorgerrolle und modernen Versagensängsten

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Jeden Tag laufen Fikret und seine Kumpels durch die stinkenden Autoschlangen an der Bosporusbrücke in Istanbul, um vielleicht ein paar Rosen an einen der Pendler loszuwerden. Mit Ohrring und Dreitagebart im mageren Gesicht hat Fikret den schüchtern-aufmüpfigen Charme eines türkischen Vorstadt-Belmondo. Er schläft mit seinen Geschwistern auf dem Fußboden eines Häuschens in einem eng gedrängten Viertel der Stadt, an der Tür hängt die türkische Flagge. Später versucht er sein Glück mit fester Arbeit, doch ohne Ausbildung und Militärdienst stehen seine Chancen schlecht. Als er doch noch einen Aushilfsjob in einem Restaurant ergattert, scheitert sein guter Wille schnell an den geschäftlichen Gepflogenheiten des Dienstleistungsgewerbes.

Murat ist Verkehrspolizist an der Brücke, ein sanfter Single, der mit einem Kollegen die Wohnung teilt und die Uniform selbst bügelt. Als braver Staatsdiener und biederer Mann – an der Wand hängen Fotos vom Fußball und vom Militärdienst – vertreibt er sich die Freizeit mit Onlinechats auf der Suche nach der richtigen Frau. Erfolgsträchtig sieht das nicht aus, auch wenn Murat seine Internetbekanntschaften zum Date in ein Café mit grandiosem Panorama lädt: Das klägliche Polizistengehalt und die Perspektive auf eine Versetzung in die Provinz lassen trotz Bosporusblick das Interesse der Frauen schnell abkühlen.

Auch der Sammeltaxifahrer Umut ist auf der Brücke unterwegs und wird wegen Telefonierens am Steuer angehalten. Gegenüber seinen Eheproblemen ist die Geldstrafe aber das kleinere Problem. Denn Ehefrau Cemile strebt aus der Enge der kleinen Wohnung in materiell höhere Gefilde und setzt ihren Mann unter Druck, sich bessere Arbeit zu suchen. Sie selbst spricht bei einer Jobvermittlung vor, weil sie – bisher als Babysitterin tätig – gerne »irgendwas mit Computern« machen möchte.

Die jungen Frauen in Aslı Özges semidokumentarischen Film sind konsumistisch orientierte Aufsteigerinnen, die ihre Zeit nicht an Loser verschwenden. Für die aber interessiert sich die Regisseurin: Fikret, Murat und Umut sind ihre in tapferer Strebsamkeit scheiternden Helden: Gestrandet zwischen traditioneller Männerrolle und Modernisierung, gefangen in materiellem Überlebenskampf, vergeblichen Bindungsbemühungen und nationalistischer Tröstung. So ist es – neben der Brücke – der Nationalfeiertag mit Militärparade und Feuerwerk, der die Erzählstränge und Personen zumindest ideell an einem Ort zusammenbringt.

Die schöne Mischung aus Anteilnahme und sanfter Ironie, die diesen Film prägt, haben wir der inszenatorischen und sozialen Sensibilität von Aslı Özge zu verdanken, einer Regisseurin, die 1975 in Istanbul geboren wurde und seit zehn Jahren in Berlin lebt und arbeitet. Sie lässt in ihrem Kinodebüt die Akteure nach einem nur leicht dramatisierten Drehbuch mehr oder weniger sich selbst spielen. Montiert sind die einzelnen Episoden ohne von außen aufgezwungenen Spannungsbogen zu einem durch Alltagsnähe und präzise Beobachtung getragenen Zeitbild einer Großstadt im Umbruch.

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