Kritik zu Mamma Mia!
Die Songs stammen von Abba, die Handlung von einer amerikanischen Komödie mit Gina Lollobrigida: 30 Millionen Zuschauern sahen seit der Premiere 1999 im Londoner Westend das Musical, da wird die Verfilmung zum Selbstläufer
Das Ausrufezeichen im Titel mutet nachgerade bescheiden an. Eigentlich könnte der Titel dieses Filmes nur aus solchen Ausrufzeichen bestehen. Denn dieser Film ist ein einziger großer Ausruf, ja Schlachtruf: Spaaaaaß, schreit er, Spaß, Spaß, Spaß!! Jetzt gleich und jetzt alle. Und dann kommt auch schon ein Lied, das alle kennen, weil es sich millionenfach verkauft hat. Abba, weniger eine Band als eine Marke, ihre Songs, von den Vorstadtdurch die Schwulendiscos über die Hitradios in die Karaokebars und einmal retour gedudelt: Und jetzt alle!!!
Kein Wunder also, dass der Rhythmus, bei dem jeder mitmuss, seit knapp zehn Jahren in Musicalform die Bühnen der Welt erschüttert. 30 Millionen textsichere Zuschauer, das ist schon mal eine solide Box-Office-Grundlage.
Jetzt also ist er da, der Film. »Hit music only«, das Credo des Formatradios übersetzt sich ins Formelkino. Große Namen, romantische Kulissen, Gassenhauer im Minutentakt und Buch, Regie und Produktion in der Hand der drei Musicalmacherinnen belassen. Das haben sich Björn und Benny, die Mittel »B«s von Abba, so gewünscht. Aber wünschen hilft bekanntlich wenig, herausgekommen ist: Schreiende Menschen laufen durch Gassen und Häuser einer griechischen Insel; drei junge Mädchen quietschen und verdrehen die Augen, drei angejahrte Mädchen tun das Gleiche, wobei sie meist noch konvulsivisch zucken. Drei noch ein bisschen ältere Männer blicken deutlich statischer in das Nichts einer Inszenierung, die ihnen fortlaufend aufträgt: Jetzt singt mal! Und dann tanzt mal! Als man erschüttert feststellt, dass die Frau in der Latzhose wirklich Meryl Streep ist, erinnert man sich bedrückt, wie wundervoll wehmütig sie in Robert Altman's »Last Radio Show« die Countrysongs intonierte. Hier hetzt sie als Hotelbesitzerein Donna zwischen Hochzeitsvorbereitungen für ihre Tochter und den drei möglichen Vätern eben dieser Tochter liederschmetternd durch griechische Gassen, während die Landbevölkerung hilflos den Chor gibt.
Niederschmetternd. Schlimmer geht’s nimmer? Doch, unbedingt. Pierce Brosnan, der nicht einmal so tut, als könne er einen Ton treffen, steigt und singt ihr nach, was zu einem grotesken Duett am Fuß des örtlichen Berges führt: »The winner takes it all«, krächzen sie gemeinsam, bevor Donna mit flatterndem Schal den Berg emporhetzt und Brosnan sie verfolgt, als jage er Dr. No. Und jetzt alle!!! Und dann tun sie es immer wieder, Protagonisten wie Statisten, minutenlang hüftsteif choreografiert: ausgelassen tanzen und enthemmt singen. Über weite Strecken sieht das Ganze aus, als habe man es beim ersten Take belassen – passt schon. Eine schmalzige Musicalvorlage mit schmissigen Hits zu verfilmen, muss nicht in die Latzhose gehen. Es mit absoluter Lieblosigkeit auf Ballermann-Niveau zu tun, ist das eine, Schauspieler vom Kaliber Streep, Brosnan und Skarsgård zu Schießbudenfiguren zu degradieren, das allerdings muss man erst einmal hinkriegen. Haben sie, die Macher von »Mamma Mia!«.
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