Kritik zu That Lovely Girl
Die israelische Regisseurin Keren Yedaya verfilmt in ihrem dritten Spielfilm einen Roman über eine junge Frau, die aus der Missbrauchsbeziehung mit ihrem Vater heraus finden muss
Sie ist sehr jung, er schon recht alt. Sie führt den Haushalt, er geht zur Arbeit. Ihm macht das Dinner im Restaurant Lust auf eine Auslandsreise, sie kotzt es auf der Toilette wieder aus. Sie schneidet ihm beim Fernsehen die Fingernägel, er eröffnet ihr, dass er auf dem Sofa schlafen wird. Sie fragt, ob er eine Affäre hat, er erwidert: »Und wenn ja, was geht es Dich an?« Sie sagt: »Ich hasse Dich«, er nimmt sie ruppig von hinten. Sie ritzt sich mit einem Küchenmesser – als er heimkommt, versorgt er ihre Wunden mit väterlicher Fürsorge. Die beiden führen ein ungesundes Liebesverhältnis, wie es viele gibt, überall auf der Welt. Doch das ist hier nicht alles. Im Restaurant fragt er die Kellnerin stolz: »Haben Sie gesehen, wie schön meine Tochter ist?« Beim Heimfahren im Auto legt er seine Hand besitzergreifend unzüchtig zwischen ihre Beine. Die beiden sind Vater und Tochter, und der Film wirft den Zuschauer mitten hinein in diese Situation, ohne zu zeigen, wie es dazu kam. Nichts erfährt man vom Anfang dieser verbotenen Beziehung, nichts davon, wie sich dieses Leben vermutlich über Wochen, Monate, Jahre eingespielt hat. Wo ist die Mutter? Warum geht Tami nicht zur Schule und nicht zur Arbeit? Warum hat sie keine Freunde und keine Familie?
Die israelische Regisseurin Keren Yedaya klinkt sich in diese Beziehung ein, um von ihrem unvermeidlichen Ende zu erzählen. Die kleine dunkle Wohnung in Tel Aviv ist für Tami ein Gefängnis, in dem sie beschimpft, missbraucht und geschlagen wird, in dem jede Geste der Zuneigung einen hohen Preis hat. Der Film erzählt vom verzwickten Verhältnis zwischen Täter und Opfer, in dem es keinen Unterschied zwischen väterlicher und geschlechtlicher Liebe gibt. Irgendwann will Moshe ihr ein Foto zeigen, auf dem sie – zwei Tage alt – in den Armen ihrer Mutter liegt: »Das war der Tag, an dem ich mich in Dich verliebt habe.« Die Regisseurin, für die das Filmemachen ein Akt politischer und sozialer Notwendigkeit ist, schlachtet das Grauen nicht aus, stattdessen nistet es in den Details. Sie erzählt von seelischer und physischer Grausamkeit, von Abhängigkeit und Missbrauch. Doch wie um sich nicht auch noch an dieser jungen Frau zu vergehen, taucht sie die Sexszenen weitgehend in diskretes Dunkel und spiegelt Tamis Zerrissenheit in extremen Nahaufnahmen und Anschnitten.
Erst als der Vater eine Geliebte in die Wohnung bringt und unverhohlen vor ihren Augen mit der anderen turtelt und schäkert, bricht Tami impulsiv aus ihrem Gefängnis aus. Wenn sie dann durch die Straßen von Tel Aviv irrt, wirken Luft und Licht als extremer Kontrast zur dunklen Enge der Wohnung. Hier lernt sie eine Frau kennen, deren bedingungslose Freundschaft und Unterstützung ihr dabei hilft, ein neues, anderes Leben zu finden. Ganz bewusst hat Keren Yedaya sich entschieden, die 30-jährige Heldin des Romans jünger zu machen, um ihr wenigstens noch diese Hoffnung zu geben.
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