Kritik zu Königin

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Spiel mit dem Feuer: In ihrem verstörenden Drama skizziert die Dänin May el-Toukhy eine extreme Familienkrise

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Schon die erste Einstellung signalisiert eine aus den Fugen geratene Welt. Da steht die Kamera erst kopf und vollzieht dann eine quälend langsame 180-Grad-Drehung, während Anne (Trine Dyrholm), wohlsituierte Mutter zweier kleiner Töchter, mit ihrem Hund durch einen winterlich kahlen Wald spaziert. Später, wenn die elegante Mittvierzigerin zum ersten Mal Sex mit ihrem Stiefsohn Gustav (Gustav Lindh) hatte, wird die Kamera eine ähnliche Kippbewegung vollziehen, wird Annes von teurem Design und rechten Winkeln geprägte Ordnung ins Wanken kommen. Kein Wunder, setzt Anne in diesem Moment doch alles aufs Spiel: ihre Ehe mit dem Arzt Peter (Magnus Krepper), ihre Karriere als Anwältin, das Traumhaus im Grünen. 

Es ist eine provokante, durch und durch ambivalente Geschichte, die die dänische Regisseurin May el-Toukhy in ihrem zweiten Spielfilm erzählt. In erster Linie ist »Königin« das Protokoll einer moralischen Selbstzerstörung – wobei Motive und tiefere Ursachen nur angedeutet werden. Was treibt eine Frau, die sich beruflich für Missbrauchsopfer einsetzt, die intelligent, arriviert und kultiviert ist, in eine wahrhaft verhängnisvolle Affäre mit einem Minderjährigen – und das in Zeiten von MeToo? 

Sind es die »alten weißen Männer« wie ihr Kanzleipartner Erik (Preben Kristensen) oder der von Macho-Allüren nicht freie Gatte, die ihr ein ums andere Mal diktieren, sie solle »lernen, sich zu beherrschen« und »sich zusammenreißen«? Oder ist es ein traumatisches Ereignis aus ihrer eigenen frühen Jugend, wie es einmal im Dialog angedeutet wird? Oder schlicht und einfach die gute alte Midlife-Ennui, die Verlockung der Jugend, der Reiz des Verbotenen?

Nein, Drehbuch und Inszenierung legen sich lieber nicht fest, können sich aber auf eine grandiose Trine Dyrholm verlassen, die diese Frau mit starker Präsenz, kühler Unnahbarkeit und einem gewissen Mut zur Entblößung ausstattet. Ihre Anne hat demnach praktisch keine andere Wahl, als ihr Paradies in Gefahr zu bringen. Ihren Kindern liest sie »Alice im Wunderland« vor; ein nicht sonderlich subtiler Hinweis darauf, dass vor ihr ein tiefer Fall ins Albtraumland liegt, aus dem es ein böses Erwachen geben wird.

Überhaupt leidet der Plot unter seiner Vorhersehbarkeit. Alles wirkt irgendwie zwangsläufig und ziemlich konstruiert. Hauptschauplatz ist ein moderner, von der Außenwelt abgeschotteter Palast – ein ähnlich aseptischer, ähnlich angreifbarer Mikrokosmos wie die Luxusvilla in »Parasite«. Gustav, rebellischer Teenager aus Peters erster Ehe, ist eine dunkel funkelnde Energie, die sich sofort gegen das Haus richtet, sich dann aber auf einen fragwürdigen Pakt mit der »Regentin« einlässt und Teil des großbürgerlichen Arrangements wird. Von da an geht alles seinen Gang: das Spiel der Blicke, ein gemeinsamer Sprung in den See, die ersten Berührungen, die erste (erstaunlich pornografisch inszenierte) Verführung. Der Film wahrt dabei durchgehend Annes Perspektive. Und schafft es auf beunruhigende Weise, uns zumindest vorübergehend zu ihren Komplizen zu machen.

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