Kritik zu Kajillionaire
Eine schrecklich unnette Familie: Miranda July erzählt in ihrem neuen Film von einem Vater-Mutter-Kind-Trio, das sich als Trickbetrüger mehr schlecht als recht durchs Leben schlägt
Fast könnte man sie für Außerirdische halten, das Trio aus Vater, Mutter und Tochter, das da bemüht um Unauffälligkeit an der Bushaltestelle steht. Dass ihr Anschluss an gesellschaftliche Konventionen nur ein vermittelter ist, sieht man ihrer Kleidung an, die wirkt wie aus dem Spendersack, den langen, ungepflegten Haaren, die sowohl Mutter wie Tochter tragen und dem eigenartigen Verhalten, das umso auffälliger wirkt, gerade weil sie sich so sehr um Heimlichkeit bemühen. Old Dolio (Evan Rachel Wood) – warum die Tochter so heißt, wird man erst später im Film erfahren – führt einen eigenartigen Tanz auf, bevor sie die Postfiliale betritt und dort ein Fach öffnet, hindurch greift und dann versucht, was immer in den Nebenfächern gelandet ist, mitgehen zu lassen. Man realisiert, dass ihr Tanz dazu diente, den Überwachungskameras auszuweichen. Die Ausbeute ist diesmal klein: wertloses Zeugs, aber immerhin eine edel wirkende, blaue Krawatte. Ob die sich weiterverkaufen lässt?
Old Dolio, ihr Vater Robert (Richard Jenkins) und ihre Mutter Theresa (Debra Winger) bestreiten ihr karges Leben durch solche kleine Betrügereien. Wie sie dazu kamen, warum sie das tun, dazu gibt der Film keine Erklärung. Er lässt den Zuschauer einfach beobachten – und weil die Menschen sich so skurril verhalten, ist das nicht immer angenehm. Die drei sind nämlich alles andere als eine nette Kleinfamilie. Ihr Umgang miteinander ist hart und gefühllos. Auch verdichtet sich immer mehr der Verdacht, dass Theresa und Robert ihre Tochter im Grunde ausbeuten: Sie lassen sie meist die ganze »Arbeit« machen, während die Gewinne stets genau durch drei geteilt werden. Auch hält keine Freude über das Erbeutete lange an. Old Dolio verlangt es deshalb mehr und mehr nach etwas, von dem sie gar nicht weiß, dass es ihr fehlt. Liebe vielleicht.
Zu diesem seltsamen Trio stößt irgendwann Melanie (Gina Rodriguez) dazu. Warum die in ungleich etablierteren Verhältnissen lebende junge Frau bei ihren »Tricks« mitmachen will, wird ebenfalls nur angedeutet. Melanie ist einsam, sie durchschaut Theresa und Robert auf den ersten Blick, nur aus Old Dolio wird sie nicht so schnell schlau.
Mehr noch als in ihren vorherigen Filmen lässt Miranda July den Zuschauer weniger an einer Erzählung teilhaben, als dass sie ihn zum Zeugen eines menschlichen Experiments macht. Die große soziale Inkompatibilität der empathie-begabten Melanie mit dem wie aus der Welt gefallenen Trio sorgt für eine Weile für Spannung. Einen ganzen Film trägt es nicht unbedingt.
Der wahre Höhepunkt des Films wirkt dabei fast so, als wäre er gar nicht von der Autorin und Regisseur vorgesehen: Da kommen die vier in das Haus eines älteren Mannes, den sie eigentlich um sein Scheckbuch erleichtern wollen. Weil der Alte im Sterben liegt, bittet er sie, zu bleiben und in Wohnzimmer und Küche mit dem »Geschirr zu klappern«. Wie eine richtige Familie. Der Betrug gelingt – aber nur für wenige Minuten.
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