Kritik zu Human Nature: Die CRISPR Revolution
Große Erwartungen, große Ängste: Adam Bolt erklärt den neusten Stand der Genwissenschaft und der damit verbundenen Diskussion
Die tatsächlichen Entwicklungen auf dem Gebiet der Genforschung sind rasant und sprunghaft; in den Diskussionen, die darüber geführt werden, aber werden seit Jahrzehnten dieselben Argumente ausgetauscht. Adam Bolts Dokumentarfilm »Human Nature« beginnt denn auch mit Schwarzweißbildern: Der Biophysiker und Molekularbiologe Robert Sinsheimer begrüßt bei einem Vortrag im Jahr 1966 am Caltech in Pasadena sein Publikum als »fellow prophets« und stellt in Aussicht, dass der Mensch in absehbarer Zeit fähig sein werde, die eigenen Gene zu verändern, eine Aussicht, die so viel Gutes wie Katastrophales verheiße.
Ein halbes Jahrhundert später sind wir – fast – so weit: CRISPR ist der Schlüssel dafür, mit CRISPR ist eine Methode gefunden, einzelne Gene zu verändern, zu klonen oder zu ersetzen. CRISPR steht für »Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats«, und Bolt gelingt es doch tatsächlich, mithilfe von ein paar Wissenschaftlern und Schaubildern ziemlich anschaulich zu erklären, was sich dahinter verbirgt. Allein deswegen ist dieser Film schon sehenswert.
Aber Bolts Film geht noch weiter, und das auf eine ausgewogene und wohlüberlegte Weise, wie man sie in der Flut der Dokumentarfilme, die sich auf engagierte Art ökologischer und populärwissenschaftlicher Themen annehmen, nicht mehr gewöhnt ist. Statt lediglich die eigene kritische Sichtweise mit Statements und Fakten zu bebildern, lässt Bolt verschiedene Aussagen in einen Dialog treten. Da gibt es die Wissenschaftler, die mit unterschiedlichen Bedenken ihre Forschung vorantreiben. Es gibt aber auch die ersten Geschäftemacher und Start-ups, die in der Kultivierung von bestimmten Bakterien, die für CRISPR eingesetzt werden, ein gutes Verdienstmodell wittern oder gar bereits die Schweine züchten, die als menschliche Organspender eingesetzt werden können. Und es gibt die von Erbkrankheiten Betroffenen wie den unter Sichelzellenanämie leidenden David und seine besorgte Großmutter, die sich keine falschen Hoffnungen machen wollen.
Wenn Eltern in Zukunft auf die Gene ihrer Kinder Einfluss nehmen – kommen dann nur noch blonde, blauäugige Babys auf die Welt? Bolt lässt Erfahrungen einer Samenbank zitieren, die das bestreitet; Eltern würden eher auf Ähnlichkeiten setzen. Wie überhaupt einmal mehr nicht die absehbaren Folgen die wahre Bedrohung darstellen, sondern die unabsehbaren, die viel zitierten nicht intendierten Konsequenzen: Wenn der Mensch sein Erbgut verändert, was wird in den nächsten Generationen daraus werden? Wie wird Evolution künftig stattfinden und vor allem: Wie lässt sich das im Blick behalten? Das ist die eigentliche Frage.
Adam Bolt gibt im Film keine fertigen Antworten, vielmehr öffnet er Perspektiven, weist auf Aspekte hin und unterbindet dabei jede Polemik. Man staunt im Nachhinein, wie viel durchaus widersprüchliche Argumente Bolt vorkommen lässt. Wer aus »Human Nature« rauskommt, fühlt sich in jedem Fall besser informiert – und so für alle künftigen Streite gut gewappnet.
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