Kritik zu Heinz und Fred
Mario Schneiders Dokumentarfilm erzählt behutsam von einem vater und seinem Sohn, die sich in einem kleinen Dorf im Mansfelder Land ein märchenhaftes Reich aus Altmetall geschaffen haben
Wenn man im Mansfelder Land einen anderen Menschen so richtig gern hat, dann sagt man: Ich habe mich an ihn gewöhnt. In dem dünn besiedelten Landkreis zwischen Harz und Leipzig spricht man offenbar nicht viel über Gefühle, das Leben geht hinter Zäunen, Mauern und Toren seinen ruhigen Gang. Hinter einem dieser Tore im Dörfchen Ahlsdorf leben Heinz und sein Sohn Fred und haben sich dort ihr eigenes Reich errichtet, das Regisseur Mario Schneider in seinem Dokumentarfilm behutsam erkundet.
Bevor er seine Protagonisten befragt und ihre Geschichte zu erforschen beginnt, beobachtet Schneider Heinz und Fred erst mal in Aktion. Man wird Zeuge, wie sie alte, verrostete Gefährte in ihren Hof schleppen oder an merkwürdigen Metallgebilden herumwerkeln. Reden tun sie nicht viel, immer aber scheinen sie zu wissen, was sie da tun, sehr genau sogar. Gleich zu Beginn sieht man sie einen riesigen Schrotthaufen auf zwei Rädern in ihre Garage schieben, an dem sie den ganzen Film hindurch schweißen, sägen, hämmern und feilen. Am Ende, in einer wahrhaft aufregenden Sequenz, hat sich der Schrott in einen wunderschönen Wohnwagen verwandelt, den sie in hoch konzentrierter Maßarbeit aus der Garage herausmanövrieren.
Die gemeinsame Arbeit bildet das Rückgrat des Zusammenlebens von Vater und Sohn, deren Porträt Schneider nach und nach Facetten hinzufügt. Wir erfahren, dass Freds Mutter, die in alten Schwarz-Weiß-Filmaufnahmen zu sehen ist, schon früh gestorben ist und Heinz sich seitdem allein um den Jungen kümmert, der viele Monate nicht sprach und bis heute kein Zeitgefühl hat. Als Heinz mit seiner Freundin für ein paar Tage wegfährt, sehen wir Fred allein zu Hause, wie er versucht, statt der Telekom-Servicestimme seinen Vater ans Telefon zu bekommen. Wir erfahren, dass Fred nie eine Freundin hatte, begleiten ihn beim Kirmesbesuch und werden Zeuge, wie Heinz aus der Haut fährt, weil Fred am Trecker herumhantiert hat: »Mensch Fred, was machst du bloß, da war Frostschutzmittel für 60 Euro drin!«
Viel Trauer und Schmerz werden in den Worten und Bildern spürbar, ohne dass sie sich zu einer Märtyrer- oder Krankengeschichte verdichten würden. Ebenso wenig wie die Vergangenheit lassen Film und Protagonisten die Zukunft Macht über sich gewinnen, über die Fred sagt: »Wenn nichts passiert, werde ich ewig leben. Das kann man nicht voraussehen.« Vater und Sohn sind viel zu sehr den Anforderungen der Gegenwart verpflichtet, der Freude und dem Rhythmus der manuellen Arbeit, die das Gerümpel der Vergangenheit ganz buchstäblich in schöne Dinge verwandelt. Die Magie dieses Tuns, dessen märchenhafte Züge durch einen mundartlichen Sprecher akzentuiert werden, liegt in seiner transformativen Kraft, deren tiefster Sinn die Erkenntnis ist, welche Liebe im Weiterreichen eines Schraubenschlüssels verborgen sein kann. Man muss nicht alles so genau beim Namen nennen, manchmal reichen schon wenige Worte, wie die des Erzählers, der am Ende des Films über Heinz und Fred sagt: Ein bisschen habe ich mich an die beiden schon gewöhnt.
Kommentare
Meine meinung
Einfach nur grossartig, die beiden! Die haben das Leben begriffen... Wunderbar zurückhalten und intensiv, zärtlich. Ich bin begeistert! Und wünsche den beiden ein langes Schrauber Leben...
langes Schrauberleben?
Schon viele Jahre vor Ihrem Kommentar war Heinz verstorben und Fred im Heim.
2 Minuten mehr Recherche hätten diesen sinnlosen Kommentar verhindern können!
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