Kritik zu Harodim – Nichts als die Wahrheit?
Ein Mann allein gegen die Drahtzieher des Attentats vom 11. September: Paul Finelli lässt in seinem Spielfilmdebüt Fakten und Spekulationen in einer Verschwörungstheorie aufgehen, die zumindest als Drama überzeugt
Alles scheint ganz klar und simpel zu sein. Zehn Jahre seines Lebens hat der einstige Navy-SEAL-Elitesoldat Lazarus Fell geopfert. Schließlich hat er sogar seinen eigenen Tod inszeniert, um ganz in der Schattenwelt der Terrorzellen und Geheimdienste untertauchen zu können, und das alles nur mit einem einzigen Ziel, endlich den Mann in seine Gewalt zu bekommen, der für die Anschläge am 11. September 2001 verantwortlich ist. Damals war sein Vater Solomon Fell (Peter Fonda) in einem der Türme ums Leben gekommen.
Nun ist es endlich so weit. Lazarus (Travis Fimmel) hat den meistgesuchten Mann der Welt aufgespürt, nicht in einer Höhle irgendwo in Afghanistan und auch nicht in einer Villa in Pakistan, sondern in Wien, der einstigen Metropole der Spione aus Ost und West. Nach Monaten der Planung hat er den von Michael Desante gespielten Terroristen überwältigt und entführt. In seiner eigenen Kommandozentrale, einem verzweigten Tunnelsystem unter einem alten Bahnhof, will er ihn verhören, sein Geständnis auf Video aufzeichnen und dann exekutieren.
Eine gewisse Affinität zu Verschwörungstheorien ist schon erforderlich. Schließlich spinnt Drehbuchautor Paul Finelli ein engmaschiges Netz aus Fakten und Spekulationen, aus ziemlich radikalen Interpretationen und sehr gewagten Hypothesen. Sein Blick zurück auf zehn Jahre, in denen sich die Welt von Grund auf verändert hat, kulminiert in einem Tableau des Schreckens, das man gerne als Hirngespinst eines Verschwörungsfanatikers abtun würde. Nur entwickelt Finellis Szenario einen erstaunlichen Sog.
Schon auf der formalen Ebene greift alles so perfekt ineinander, dass konkrete Zweifel kaum Angriffspunkte finden. Immer wieder streut Finelli Nachrichtenbilder, doppeldeutige Symbole wie die Pyramide mit dem Auge in in das Kammerspiel ein. Verankert so die fiktive Situation in einer vertrauten Realität. Die Grenzen zwischen dem einen und dem anderen werden brüchig.
Zudem versteht es Michael Desante, sein Gegenüber für sich einzunehmen. So wie der hitzköpfige Lazarus nach und nach seine typisch amerikanische Cowboymentalität einbüßt und immer nachdenklicher wird, ergeht es letztlich auch dem Betrachter. Desante zieht ihn – zumindest in der englischen Originalversion – allein schon durch seine weiche Stimme und seine kultivierte Sprechweise in den Bann dieses Mannes. Es mag nur ein Gedankenspiel sein. Aber es hat seinen Reiz, sich Osama bin Laden, an den diese Figur angelehnt ist, einmal eben nicht als bärtigen Fundamentalisten vorzustellen. In Desantes Spiel entpuppt er sich als weltgewandter Mann, der selbst nur instrumentalisiert wurde. Und letztlich spricht für diese Version genauso viel wie für die, die uns über Jahre präsentiert wurde.
So lädt Paul Finelli dazu ein, sich von den allgegenwärtigen Bildern der Medien zu lösen. Dabei geht es letztlich gar nicht darum, ob seine Version der Dinge die wahre ist. In sich ist sie auf jeden Fall erstaunlich logisch und schlüssig. Entscheidend ist vielmehr ein Denken jenseits.
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