Kritik zu Grasgeflüster

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Tragikomische Akzente in Nigel Coles Kifferkomödie

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Als moralische Anstalt versteht Nigel Cole das Kino offensichtlich nicht. Sein Debüt Grasgeflüster hat durchaus Züge eines Werbefilms für Marihuana: Hier kifft ganz Cornwall. In dem südenglischen Örtchen Port Liac, dem idyllischen Schauplatz der Komödie, wirkt das im Rauschmittel enthaltene Tetrahydrocannabinol auf zahlreiche Großhirne der Population, Arzt und Omas eingeschlossen; nur der Klerus bleibt mal wieder abstinent.

Der kollektive Rausch kommt schicksalhaft über die Dorfgemeinschaft. Grace Trevethan ist der Mann gestorben. Als Hinterlassenschaft bleiben ihr die Schulden ihres geschäftlich inkompetenten Mannes, das herrliche, mit Hypotheken belastete Haus und die Einsicht, dass er sie mit einer Jüngeren betrogen hat. Grace, deren Lebensinhalt bisher Teepartys und Orchideen gewesen sind, macht das Beste aus ihrer botanischen Begabung. Nachdem sie einige ihr zunächst unbekannte sieche Pflanzen ihres Gärtners Matthew wieder aufgepäppelt hat (Hanf braucht Licht), erkennt sie die ökonomischen Möglichkeiten des kontrollierten Anbaus. Und die Lady steigt ins Drogengeschäft ein.

Nigel Cole und seinen Drehbuchautoren Craig Ferguson und Mark Crowdy schwebte mit Grasgeflüster ein Film aus dem Geist der englischen "Ealing Comedies" der vierziger und fünfziger Jahre vor, angepasst an den Zeitgeist der Gegenwart. So finden sich im traditionellen Rahmen Spuren von Ganz oder gar nicht und Lang lebe Ned Devine; nicht zu überhören schließlich auch ein zartes Echo aus Trainspotting.

Die Autoren Crowdy und Ferguson - letzterer spielt auch den Gärtner Matthew - erzählen die kuriose Geschichte einer kriminellen Karriere, die auf dem Lande beginnt und in Londons Szenenvierteln Notting Hill und Portobello vor so manche Bewährungsprobe gestellt wird. Abgesehen von einem Ende, das um einen Preis für den "dämlichsten Schluss" aller Zeiten konkurrieren könnte, funktioniert die Komödie. Der Humor speist sich aus Gegensätzen: zwischen Stadt und Land, bürgerlichem Milieu und Unterwelt. Im fiktiven Port Liac ist die englische Exzentrik zu Hause, der Wirt pflegt Kafka zu zitieren, und der klapprigste Mann im Ort trägt die Post aus. Mit dem Rechtsbewusstsein der Leute, auch der polizeiuniformierten, ist es hier, am äußersten Ende des Vereinigten Königsreichs, nicht weit her; das ist der Schmuggler- und Piratentradition Cornwalls zu verdanken. Klar, dass der kettenrauchende Arzt (Martin Clunes) quasipräsidial behauptet: "Didn't inhale".

Doch die Perspektive des ehrgeizigen Debütanten Cole geht übers Komödiantische hinaus. Schon die erste Einstellung, eine putzige Totengräberszene vor blässlich-blauem Horizont, setzt tragikomische Akzente. Brenda Blethyn, in deren Rollen sich häufig Pathos und Farce auf produktive Weise verschränken, verkörpert eine Frau mit einem komplizierten Innenleben. Witz ist für Grace ein Mittel, um sich die Wirklichkeit vom Leib zu halten. Gefangen in einem Kokon aus Illusionen und Lebenslügen, muss sie sich das mit dem Tod ihres Mannes entwichene Selbstbewusstsein mühsam wieder erarbeiten. Die verwüstete Psyche der Frau illustriert John de Bormans Kamera mit suggestiven Aufnahmen der südenglischen Natur: eine mächtige Kulisse, vor der die Einsamkeit von Grace erst richtig sinnfällig erscheint. Ihre seelische Rekonvaleszenz gelingt Brenda Blethyns Grace ohne bewusstseinserweiternde Substanzen. Ihr einziger Kontakt mit der Droge endet mit vorhersehbaren Folgen: Übelkeit und Erbrechen. Dies ist der pädagogisch wertvolle Hinweis des Films zu Risiken und Nebenwirkungen.

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