Kritik zu Entertainment
Brutaler Angriff auf das allgemeine Unterhaltungsverständnis. »Entertainment« tut alles um genau das nicht zu sein, ein banaler Unterhaltungsfilm. Dafür nimmt er den Zuschauer in Geiselhaft. Alles was an diesem Film über einen erfolglosen Comedian unerträglich ist, trägt zu seiner Qualität bei
Feuchte lange Haare, die in wilden Strähnen über die Stirn gekämmt sind, eine dicke Hornbrille und im Arm mindestens drei Longdrinks, so steht Gregg Turkington alias Neil Hamburger auf der Bühne und macht faule Witze. »Was passiert wenn man Elton John mit einem Säbelzahntiger kreuzt? – Kein Ahnung, aber haltet das Vieh bloß von meinem Hintern fern!« Seine Auftrittsorte sind fade Kneipen, drittklassige Altersheime oder private Partys und nur selten stoßen seine Bühnenkünste auf Gegenliebe. Immer wieder werfen erboste Zuschauer Gläser oder andere Dinge auf ihn und er muß sich nicht selten physisch zur Wehr setzen. Abends in den billigen Hotels, in denen er abzusteigen gezwungen ist, telefoniert er dann mit der Mailbox seiner Tochter. Lustig ist das alles nicht.
Und das soll es auch gar nicht sein. Im Gegenteil. In einer Zeit, in der alles dem Event- und Erlebnischarakter untergeordnet wird, ist Entertainment eine Selbstverständlichkeit geworden. Wer nicht zu Unterhalten vermag wird abgestraft. An dieser Stelle setzt Rick Alverson an. Zusammen mit dem Schauspieler und Comedian Gregg Turkington hat er eine Off-Stage Version von dessen Bühnencharakter Neil Hamburger entwickelt, die das ganze Elend des Unterhaltungsdiktats offenbart. Die Tristess der langen einsamen Autofahrten, der üblen Hotels und des undankbaren Publikums wird dem Zuschauer direkt zugemutet. In einer enervierenden Art, die die von Scorseses »King of Comedy« bei weitem übertrifft, geht dieser Film gegen alles an, was auch nur nach Unterhaltung aussieht. Dass er dieses Ziel erreicht, muß zum Leidwesen des Zuschauers ausfallen. An keiner Stelle gewährt der Film Entspannung oder Gelassenheit. Er ist brutal, fies und drastisch und zeigt ungefähr in der Mitte, für alle die bis dahin noch nicht verstanden haben, dass alles Schöne hier fehlt, eine Todgeburt in einer öffentlichen Toilette.
»Entertainment« ist derart erfolgreich unerträglich, dass man kaum Vergleiche findet. Überstrahlte, blasse Bilder, wüstenähnliche Landschaften, Figuren, die an keiner Stelle zu Charakteren werden und jedes Fehlen einer Geschichte machen aus dem Film einen Frontalangriff gegen die Unterhaltung. »Entertainment« folgt darin Rick Alversons Film »The Comedy« über einen wohlhabenden New Yorker, der zynisch durchs Leben driftet. Während »The Comedy« noch narative Züge trägt, von der Kritik aber mit gemischen Gefühlen aufgenommen wurde, geht »Entertainment« provokativ noch einen Schritt weiter und entzieht dem Zuschauer jede Basis. In seiner Radikalität ist »Entertainment«, der ebenso wie »The Comedy« beim Sundance Festival uraufgeführt wurde, dann auch zu einer 80%igen Zustimmung bei Rotten Tomatoes gekommen, während sich die Zuschauer größtenteils negativ äußerten. Das Konzept der dreckigen Provokation und der absoluten Vermeidung jeglicher unterhaltender Elemente ist aufgegangen. Der Film ist gnadenlos schrecklich, absichtsvoll langweilig und ultimativ verstörend. Er ist Trash im reinsten Wortsinn und das kann man nicht von vielen Filmen sagen.
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