Kritik zu Ein fliehendes Pferd

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Rainer Kaufmann verfilmte die Novelle von Martin Walser 

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"Wir werden von den beiden verführt", sagt Sabine zu ihrem Mann Helmut. "Wir sollten aufpassen." Schon seit zwölf Jahren machen die beiden Urlaub am Bodensee, und während er sich in der Routine redlich eingerichtet hat, ist bei seiner Frau eine latente Unzufriedenheit zu spüren, eine schwelende Sehnsucht nach Abwechslung und Abenteuer, die Futter bekommt, als im bunten Treiben des Strandbades plötzlich ein alter Schulkamerad von Helmut auftaucht. Mit seiner polternden Präsenz und seiner sehr jungen Freundin Helene verursacht er heftige Turbulenzen im stillen Fluss der Sommerferien, und während sich Helmut störrisch und verzweifelt dagegen wehrt, blüht Sabine angesichts der unerwarteten Abwechslung, mit gemeinsamen Segelausflügen, Spaziergängen, abendlichen Dinnerverabredungen und Tischtennispartien, auf.

Ähnlich wie Ed Herzog mit Schwesterherz spielt auch Rainer Kaufmann in seiner zugleich sommerleichten und gefühlstiefen Verfilmung der berühmten Novelle von Martin Walser durch, wie festgefahrene Lebensmodelle durch die Reibung mit anderen Menschen gefährlich, aber auch heilsam ins Wanken geraten. Sanft hat er den 1978 entstandenen Text in die Gegenwart geholt und dabei die komödiantischen Elemente ein wenig betont, ohne die Geschichte in die Niederungen einer deutschen Beziehungsklamotte zu steuern. Vor allem dem großartigen Schauspielerquartett ist es zu verdanken, dass der literarische Text auf der Leinwand zu flirren beginnt. Ulrich Noethen und Katja Riemann haben nach Oskar Röhlers Agnes und seine Brüder und Alain Gsponers Das wahre Leben schon eine gewisse Übung als Ehepaar im fortgeschrittenen und ermüdeten Zustand. Sie verwandeln die wortgewaltigen inneren Monologe der Vorlage in ein Ballett der Blicke und Gesten und lassen wechselnde Gefühle dezent aufschimmern, statt sie eindeutig auszusprechen.

Im Laufe der Jahre, in denen Katja Riemann und Rainer Kaufmann mit vielen gemeinsamen Filmen zusammen erwachsen geworden sind, ist die Schauspielerin immer aufregender und schöner geworden; mit großer Lässigkeit unterfüttert sie den ganzen Frust und die Routine einer langjährigen Beziehung mit aufmüpfiger Lebenslust. Als Kraftzentrum des Films balanciert Ulrich Tukur Helmuts Antipoden Klaus zwischen mitreißender Lebensenergie und abstoßender Peinlichkeit aus, lässt aber hinter seinem ostentativ ausgelebten Erfolg im Beruf und mit den Frauen auch eine lauernde Leere spüren. Mit seinen frivolen Anekdoten von früher schlägt Klaus eine Brücke zur Jugendzeit, die Noethens Helmut sichtlich unangenehm ist, schon allein deswegen, weil sie ihn mit all den uneingelösten Verheißungen von damals konfrontiert. Vor dem tosenden Sturm der Gefühle flüchtet er in eine Erstarrung, doch manchmal reicht es eben schon, einfach nur nichts zu tun, um eine Tragödie auszulösen. "Wenn ich die Geschichte, die diese vier Schauspieler spielen, nacherzählen würde, käme eine ganz andere Geschichte heraus als in der Novelle 'Ein fliehendes Pferd'", sagt der mit der Verfilmung seines Buches sehr glückliche Martin Walser.

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