Kritik zu Dreamaway
Ein ägyptisch-deutsches Regiepaar beobachtet das Ausharren in der Krise in einem Luxusresort im vormaligen Tourismus-Hotspot Sharm El Sheikh und spielt dabei mit den Grenzen der dokumentarischen Form
Das Luxusresort am Roten Meer ist so schnieke, dass selbst die Spindtüren der Angestelltenumkleide in gediegenem Eichenholz glänzen. Und die Liegen am Pool werden mit roten Baldachinen zu Himmelbetten aufgebrezelt. Doch wenn morgens das »lovely animation team« mit aufpeitschender Musik, Tanzgymnastik und Wünschen für einen »lovely day« sein Tagesprogramm beginnt, sind die Liegen drum herum leer. Denn dem ägyptischen Badeort Sharm El Sheik, einst einer der populärsten Überwinterungsorte für sonnenhungrige Mitteleuropäer, haben die Folgen des gewaltsamen Regimewechsels und des islamistischen Terrors hart mitgespielt.
Und so mangelt es (jedenfalls zur Zeit des Drehs) stark an Touristen. Die Angestellten aber sind noch da, wenn auch in reduzierter Zahl und zu reduzierten Löhnen. Diese DJs, Masseure, Housekeeping-Kräfte, Kellner und Unterhaltungskünstler sind auch die Helden dieses Films, der mit den Grenzen zwischen dokumentarischer Aufzeichnung und fiktionaler Gestaltung spielt: Dabei ergänzen sich beobachtende Momente, persönliche Erfahrungsberichte und eine fellineske Rahmenhandlung um eine auf der Ladefläche eines Pick-ups durch die Straßen gefahrene sprechende Affenfigur, die joggende Protagonisten mit Fragen provoziert.
Die Fragen drehen sich um die jetzige Situation der Angestellten und um ihre Sorgen und Träume. Viele der Angestellten hatte die wirtschaftliche Not in die damalige Tourismusgoldgrube am Roten Meer getrieben. Doch nicht immer war es das Geld: Rami, der jetzt als Darsteller unter einer künstlichen Goldhaut für Fotos posiert, erzählt, dass er vor den Strafaktionen seines strengen Vaters nach Sharm El Sheik floh.
Und auch für andere junge Leute scheint das Touristenghetto ein Zufluchtsort vor den rigiden Anforderungen der ägyptischen Gesellschaft gewesen zu sein. Das klare Bekenntnis etwa der Zimmerfrau Yousra gegen eine Mutterschaft (»Ich mag Kinder, solange sie nicht meine sind«) dürfte für eine junge Frau in Ägypten ein mutiges, aber in soziale Isolation treibendes Statement sein. Im Resort reden die Männer viel und meist abfällig über ihre – abwesenden – Frauen. Doch zu sagen haben sie hier nichts. Und weil ein Ausweg aus der aktuellen Krise für niemanden in Sicht ist, macht sich eine Melange aus Melancholie und Zynismus breit.
»Dreamaway« ist dabei auch ein Film über einen Ort, der wie die meisten Touristenzentren eine bizarre Mischung aus folkloristischer Kulisse und Leben ist. Hier treffen Kamele auf riesige Dinosaurierfiguren, kostümierte Partygäste stalken durch echten Wüstensand. Das bewusst interkulturelle Regieduo aus dem ägyptischen Regisseur Marouan Omara und der KHM-Absolventin Johanna Domke zaubert daraus eine poetische, surreal flirrende Atmosphäre, in der sich die giftigen Nebel eines Insektenvernichters als malerische Schleier auf die Büsche legen und immer wieder kunstvoll die Grenzen zwischen Schauspielen und Selbstdarstellung verschwimmen: Auch eine schöne neue Variante des Hotels als Metapher.
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