Kritik zu Die Vision der Claudia Andujar
Die preisgekrönte Schweizer Filmemacherin Heidi Specogna zieht in ihrem Dokumentarfilm eine Linie von retrospektiven Einblicken in das Leben einer kämpferischen Fotografin zu den heutigen Kämpfen junger Indigener im Amazonas-Regenwald
Die Nummern um den Hals der Menschen auf den Passfotos lassen an eine Verbrecherkartei denken. Doch bei der Datensammlung handelt es sich um ein frühes Gesundheitsprojekt für das indigene Volk der Yanomami. Die Frau hinter dieser Unternehmung war eine Fotografin europäischer Herkunft, die damals schon mit weniger polizeilich anmutenden und spektakulär schönen anderen Fotos aus dem brasilianischen Regenwald den Weg in die internationale Kunstwelt gefunden hatte. In den Dschungel gekommen war Claudia Andujar aber nicht wegen der Karriere: Die in der Schweiz geborene und in Rumänien aufgewachsene junge Frau hatte einen großen Teil ihrer jüdischstämmigen väterlichen Familie in der Schoah verloren und suchte danach Sinn und Neuanfang für ihr Leben. So kam sie über New York nach Brasilien und fand bei dem damals isoliert lebenden Volk im Amazonas-Regenwald eine neue vorübergehende Heimat.
Später unterstützte Andujar die Yanomami auch politisch in ihrem Kampf für den Erhalt ihrer Lebensgrundlagen gegenüber Regierung und kommerziellen Interessen. Dabei musste sie lernen, dass die mühsam erfochtene formelle Anerkennung des Territoriums durch die Behörden in der harten Praxis gegenüber Holzfällern und anderen Eindringlingen wenig nützt. Der Film von Heidi Specogna verbindet retrospektive und aktuelle Einblicke in das Leben der Fotografin mit den heutigen Kämpfen einer jungen indigenen Generation, die mit neuen digitalen Medien selbstbewusst die Stimme erhebt. Besonders junge Frauen haben sich mit Kameras und Drohnen bewaffnet, um die Geschichte aus der eigenen Perspektive zu erzählen und aus der Luft die Siedlungen der Goldgräber ausfindig zu machen, deren in die Flüsse emittierte Quecksilber-Emissionen ihr Leben vergiften. So erweitern sie die bewährten Mittel der Fotografin um neue Techniken und Militanz: »Deine Fotos sind wie eine zärtliche Hand, die die Seele der Menschen berührt. Unsere Filme sind wie eine Hand, die sich zur Faust ballt«.
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