Kritik zu Die vierte Macht
Im neuen Film von Dennis Gansel (Napola, Die Welle) spielt Moritz Bleibtreu einen Berliner Szenejournalisten, den es nach Moskau verschlägt, in den Moloch von Korruption, heimlichen Kriegen und großen Verschwörungen
Moskau hätte das Zeug zum Musterschauplatz eines neuen Thriller-Subgenres, das postkommunistische Schurkereien wenn schon nicht aufklärt, doch immerhin als Kinomythos lebendig hält. Das düstere Panorama der brodelnden Stadtlandschaft mit ihren angestrahlten Imponierbauten wäre schon die Signatur eines modernen Molochs, in dem unzählige Verbrechen darauf warten, erzählt zu werden. Unser Vorwissen zum Beispiel über die zahlreichen Morde an kritischen russischen Journalisten gäbe diesem Typ »Eastern « vorab Glaubwürdigkeit.
Insofern hat sich der deutsche Regisseur Dennis Gansel, der seit Napola und Die Welle für knalliges politisches Mainstreamkino steht, auf interessantes Terrain gewagt. Sein Film Die vierte Macht greift die Terrorwelle auf, die seit den neunziger Jahren die russische Metropole in Angst versetzte und unter anderem zur Legitimation des Tschetschenien-Krieges diente. Vor allem entwirft er das Bild einer Presseszene, die zwischen Zensur, Kungelei und Erpressung von seiten des mächtigen Inlandsgeheimdienstes laviert und sich Risiken aussetzt, wie sie zur Ermordung der Journalistin Anna Politkowskaja führten.
Doch Moskau scheint sich gegen kinogemäße Historisierung zu sträuben. Dennis Gansel drehte den Film bis auf die Panoramaansichten im Klein-Moskau der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Auch sein Drehbuch über die schmerzhafte Wandlung eines deutschen Partykolumnisten zum investigativen, die Opposition unterstützenden Journalisten kommt über die naive Annäherung nicht hinaus.
Paul Jensen (Moritz Bleibtreu) wird am Beginn seines Moskauer Jobs bei einem Klatsch- und Glamourblatt mit der Präsenz böse blickender Dunkelmänner konfrontiert, die seine sympathischen Chefs unter Druck zu setzen wissen. Der umtriebige Fotograf Dima (Max Riemelt) muss dem ignoranten Deutschen das Haifischbecken erst erklären. Jensen, als Blattmacher mit Riecher für Style und Design angeheuert, wird vor sehr deutsche Bewährungsproben gestellt: Er verliebt sich in die schöne Katja (Kasia Smutniak), ein Gegengift zu den blondierten Partygirls der Moskauer Oberschicht, weil sie an der journalistischen Aufdeckung eines Bombenanschlags auf ein Moskauer Wohnhaus arbeitet. Katja zieht den Neuling in ihre (leider mit Folklore-Klischees behaftete) Welt der Oppositionellen hinein, verrät jedoch möglicherweise ihre Liebe, indem sie in ein U-Bahnattentat verstrickt zu sein scheint, für das korrupte Ermittler den törichten Fremden verantwortlich machen.
Jensen, von Bleibtreu auch nach Entbehrungen noch rundlich weich verkörpert, muss endlich erwachsen werden: zum einen durch die pittoresk ausgemalte Prüfung eines Gefängnisaufenthaltes zusammen mit tschetschenischen Freiheitskämpfern, zum andern durch seine wie eine Schatzsuche erzählte Spurensuche nach dem eigenen Vater. Dieser, einst als DDR-Journalist in Moskau zu Hause und bei einem ungeklärten Unfall zu Tode gekommen, hat Beweismittel vererbt, die das Ausmaß der Verschwörung sichtbar machen. Dennis Gansels Film verschenkt sein interessantes Thema am Ende leider an ein hanebüchenes Gutmenschendrehbuch.
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