Kritik zu Die Stadt als Beute

© Neue Visionen Filmverleih

2015
Original-Titel: 
Die Stadt als Beute
Filmstart in Deutschland: 
08.09.2016
L: 
82 Min
FSK: 
6

Mieter, Käufer, Stadtplaner und Immobilienfritzen: Andreas Wilcke lässt in seiner Langzeitbeobachtung des Berliner Immobilienmarktes die verschiedenen Akteure mit ihren gegenläufigen Interessen zu Wort kommen

Bewertung: 4
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Gentrifizierung ist das Reizwort unserer Tage. Noch vor kurzem wusste kaum jemand, was es bedeutet. Heutzutage benutzt man es meist mit ironischem Unterton, etwa, wenn mal wieder eine Parkbank eröffnet wird: »Ist das nun die Gentrifizierung?« Die Ironie verdeckt nur notdürftig die Angst, die das Wort meist nach sich zieht. Denn wo gentrifiziert wird, da steigen die Mieten, und wenn Mieten steigen, werden alteingesessene Bewohner vertrieben.

Nun hatte Berlin lange einen Sonderstatus unter den deutschen Städten. In der geteilten Stadt hatten sich viele Dinge anders entwickelt als »normal«. Zum Beispiel eben der Wohnungsmarkt: In besten Lagen gab es billigen Wohnraum, oft aber in heruntergekommenen Häusern. Viel langsamer als ursprünglich gedacht, veränderte sich der Immobilienmarkt. Erst in den letzten fünf Jahren kam es zu einer rasanten Entwicklung, was das Steigen von Eigentumsanteil und Mieten angeht. Dementsprechend groß ist nun das Gefühl der allgemeinen Bedrohung. Andreas Wilcke begann vor fünf Jahren zu filmen. In »Stadt als Beute« lässt er die verschiedensten Akteure auf dem Berliner Haus- und Wohnungsmarkt zu Wort kommen, schneidet die Aussagen mit geduldig-präzisen Aufnahmen von Innen- und Außenräumen gegen und setzt so ein ungeheuer spannendes Bild eines »unter Druck« geratenen Marktes zusammen.

Wilcke gelingt es mit präziser Inszenierung, die verschiedenen Seiten für sich sprechen zu lassen. Weshalb man sowohl die verhaltene Begeisterung eines interessierten Käufers nachvollziehen kann als auch die untergründige Verachtung des Altmieters, der seine Wohnung zur Schau stellen muss. Selbstverständlich versteht man die Berechnungen, wie aus 4,80 Euro pro Quadratmeter bald 8,50 Euro werden können. Man zittert aber auch mit der aufgeregten Frau mit, die auf einer Bürgerversammlung schreiend vom Schicksal zweimaligen Entmietet-Werdens berichtet. Muss ein Hartz-IV-Empfänger in zentraler Lage am Potsdamer Platz wohnen?, fragt ein Planer. Die – durchaus zynische – Antwort hat der »Markt« längst gegeben.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt