Kritik zu Die Rückkehr des Filmvorführers
Eine Art inszenierter Dokumentarfilm mit Laienensemble zeigt Opa und Enkel als filmverrücktes Gespann auf der gemeinsamen Mission, das Kino wieder in ein aus der Zeit gefallenes Dorf in Aserbaidschan zu bringen
Vor fast 50 Jahren hat Peter Goedel seinen schönen Dokumentarfilm »Alois Gugutzer« gedreht, über einen Filmvorführer in einem Münchner Multiplex-Kino. Da war gerade die Zeit der Automatisierung in den bundesdeutschen Kinos angebrochen. In »Die Rückkehr des Filmvorführers« ist das Kino schon lange tot, seit Jahrzehnten. Aber die Erinnerung daran und der Traum leben.
Samid war zu Sowjetzeiten der Kinovorführer in einem abgelegenen Dorf in Aserbaidschan, nahe der Grenze zum Iran, ein einzelgängerischer älterer Herr, dem der Unfalltod seines Sohnes vor zwei Jahren, wie wir im Laufe des Films erfahren, noch zu schaffen macht. Jetzt schlägt er sich mit Reparaturen an alten Röhrenfernsehern und Satelliten-Receivern durch. Aber er hat noch zwei verstaubte transportable 35-mm-KN-17-Projektoren sowjetischer Produktion, speziell für die Landbespielung gebaut, in seiner Scheune. Und er beschließt, das Kino wieder in sein Dorf zu bringen, in das Gemeinschaftshaus, wo es früher war. Es gibt nur ein Problem: Die Projektorlampe ist defekt – und das dauert.
Mit dabei ist sein Enkel Ayaz. Der zeigt Interesse an der historischen Technik und macht selbst mit Tablet und Handy animierte Filme für die sozialen Netzwerke. Die beiden helfen sich gegenseitig, eine symbiotische Beziehung, aber auch so etwas wie ein Dialog der Generationen in Sachen Film.
Das Alte und das Neue – bei Letzterem wird es schwierig: Einmal zieht Samid seinen Esel mit Ayaz drauf den Berg hoch, um nach einem Internetempfang zu suchen, eine faszinierende Szene. Ayaz konstruiert auch einen Projektor für sein Handy. Zu den schönen Szenen des Films, der seine Geschichte bedächtig in langen Breitwandeinstellungen erzählt, gehört auch Samids Gespräch mit den Dorfältesten, die sich noch an die – vor allem indischen – alten Filme erinnern und den Titelsong aus dem Bollywoodfilm »Disco Dancer« (1982) begeistert schmettern. Frauen spielen bei diesen Gesprächen keine Rolle, die muslimisch-patriarchalen Strukturen streift der Film eher am Rande, wie die Weltpolitik und Putins Einmarsch in die Ukraine. Erst nach Monaten kommt die Projektorlampe an. Aber, so viel sei verraten, ein richtiges Happy End will sich dann doch nicht einstellen. Aber Samid und Ayaz sind zufrieden.
Samid heißt eigentlich Samid Idrisov und sein Enkel im Film Ayaz Khaligov. Beide sind Laien – wie das ganze Ensemble des Films, das hervorragend seine Rollen spielt. »Die Rückkehr des Filmvorführers« ist quasi ein hybrider Film, ein inszenierter Dokumentarfilm, der folgerichtig seine Premiere auch beim Dokumentarfilmfestival von Nyon hatte. Menschen, die Figuren spielen, die sie auch sein könnten, das ist eine Methode, die auch Ulrich Seidl angewandt hat, nur dass es Regisseur Aghazadeh nicht um Demaskierung und Bloßstellung geht, sondern um das Leben in einem Dorf, das aus der Zeit gefallen scheint. Und in dem es zwei Filmverrückte gibt, die bestimmt weitermachen werden.
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