Kritik zu Die Rückkehr der Wölfe

© Mythenfilm

2019
Original-Titel: 
Die Rückkehr der Wölfe
Filmstart in Deutschland: 
17.09.2020
L: 
90 Min
FSK: 
6

War da früher mehr einträchtiges Zusammenleben? Mehr Toleranz? Dokumentarfilmer Thomas Horat untersucht das sich wandelnde Verhältnis  zwischen Wolf und Mensch

Bewertung: 4
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»Als wir genug Schafe hatten, war es genug für uns und genug für die Wölfe«. Dies sei ein altes Sprichwort bulgarischer Schäfer, erzählt die Biologin Elena Tsingarska von der Balkani Wildlife Society. »Ich mag das sehr«, sagt sie lachend und öffnet die Tür zu einem grünen Gehege, in dem zwei Wölfe auf ihren Besuch warten. Doch mittlerweile seien diese goldenen Zeiten vorbei: Auch auf dem Balkan, wo die Menschen das Zusammenleben mit dem Raubtier seit Jahrhunderten geübt haben, erscheint der Wolf nur noch als Feind. Noch mehr gilt dies für die Gebiete, in die Wölfe nach ihrer Ausrottung in den letzten Jahrhunderten nun durch Schutzprogramme wieder zurückkehren.

Die Schweiz zum Beispiel, wo 2011 der erste Wolfsnachwuchs seit 150 Jahren geboren wurde. Im gleichen Jahr hatte Schäfer Ueli Metz auf seiner Alm auch schon die ersten Verluste durch Wolfsriss und musste aufrüsten, mit Herdenschutzhunden und neuen Formen der »Behirtung«. Doch die kosten Geld. Und wenn die Hunde im Winter auf den Weiden unten im Tal sind, kläffen sie aus Langeweile und bringen die Nachbarn auf, erzählt er. Für ihn ist die Wiederansiedlung der Raubtiere ein Spleen ahnungsloser Städter, die eine neue Kluft zwischen Stadt und Land schaffe.

Filmemacher Thomas Horat ist selbst Schweizer, für seinen Film über das sich wandelnde Verhältnis zum Wolf hat er neben Bulgarien und der Schweiz auch Menschen und Landschaften in Österreich, der Lausitz, Westpolen und Minnesota in den USA besucht, die Protagonisten seines Films sind Schäfer und Schafhalter, Wolfsschützer, Wildtierbiologen oder Naturführer wie Stephan Kaasche, der einer Görlitzer Schulklasse die Welt jenseits der Bildschirme erklärt. Eine breite, vielfältige Auswahl an Positionen, die nicht auf Polarisierung, sondern auf gegenseitige Vermittlung ausgelegt ist. So gelingt es dem kommentarlosen Film, die Komplexität der Situation und die unterschiedlichen Interessenlagen unaufgeregt aufzufächern, ohne sich etwa mit fanatischen Wolfsablehnern auseinandersetzen zu müssen. 

Wir sollten uns mehr mit Romulus und Remus (die der Legende nach von einer Wölfin gesäugt wurden) und weniger mit Rotkäppchen beschäftigen, meint der polnische Biologe Robert Myslajek dazu. Der Verhaltensforscher Kurt Kotrschal vom Wolf Science Centrum im österreichischen Ernstbrunn erforscht die historische Annäherung von Wolf und Mensch, die er als »Schwesternarten« sieht: Beide seien sozial sehr ähnlich gestrickt – kein Zufall, dass der Mensch ausgerechnet auf den Hund gekommen ist. Doch auch wenn er oder Elena Tsingarska schon einmal mit »ihren« Wölfen kuscheln, betonen sie die Notwendigkeit, die Wildtiere draußen in der Natur von Menschen fernzuhalten. Nebenbei zeigt uns der Film aber auch, dass Wissenschaft nichts für empfindliche Gemüter ist, wenn es darum geht, Kotreste zu zerpflücken, sich kopfüber in eine Wolfsgrube zu stürzen oder mit der Axt einem gerissenen Reh den Kopf abzuhacken und einzutüten.

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