Kritik zu Die Nacht der Nächte

© Concorde Filmverleih

Yasemin und Nesrin Şamdereli (»Almanya«) porträtieren in ihrem Dokumentarfilm vier Paare, die schon über fünf Jahrzehnte zusammen­leben – in Japan, in den USA, in Indien und im Ruhrgebiet

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Als die Migrationskomödie »Almanya« 2011 in deutsche Kinos kam, wurde sie dankbar aufgenommen als Befreiungsschlag von den Verklemmtheiten des deutsch-türkischen Nichtmiteinanders. Jetzt haben die damals dafür verantwortlichen Schwestern Yasemin und Nesrin Şamdereli ihren zweiten Kinofilm vorgelegt und eine ähnlich impressionistische Erzählweise an einem dokumentarischen Stoff probiert. Den bilden vier altgediente Paare an verschiedenen Orten des Globus, von denen drei schon die goldene Hochzeit hinter sich gebracht haben. Das vierte Doppel tritt erst gegen Filmende vor den Altar. Denn Norman und Bill sind schwul und dürfen sich deshalb in Pennsylvania erst seit dem Jahr 2014 ehelich binden. Die Vorbereitung für den großen Tag der beiden und die Hochzeitsparty auf dem stattlichen Anwesen im Grünen ziehent sich als roter Faden und ­Gegenbild durch den Film.

Bei den drei heterosexuellen Paaren sehen nicht nur die Wohnbedingungen weniger idyllisch aus, die Ehehindernisse sind statt bürokratischer eher sozialer Natur. So musste ein indisches Paar gegen scharfe familiäre Widerstände ankämpfen, weil sie einer niedrigeren Kaste angehört als er. Die Reisbauerntochter Shigeko in Japan wurde von ihrer Familie gegen ihren Willen aus ökonomischen Gründen mit einem anderen Reisbauern verkuppelt und dann als Ar­beitskraft von ihm so massiv ausgebeutet, dass sie fortlief. Und bei Heinz und Hildegard aus Westfalen wurde gleich in der Hochzeitsnacht schmerzvoll das erste Kind gezeugt – Ausdruck traditioneller Sexual­moral und unheilvoller Vorbote des familiären Alltags in der Zukunft. Mittlerweile ist die einstige Verliebtheit der beiden längst Verbitterung und Resi­gnation gewichen, während sich die Lage mit den Schwiegereltern von Kamala entspannt hat. Und nachdem Shigeko dann doch wieder zu ihrem Mann zurückkehrte, haben die beiden sogar ein von relativem ­Respekt, Verständnis und Humor geprägtes Zusammenleben entwickeln können. Humor ist auch sonst in diesem Film stark präsent, das viele Lachen scheint eine Art Schutz­barriere gegen die lauernden Abgründe. ­Offensichtlich, dass es bei dem homosexuellen Paar nach einem lebenslangen Kampf um Anerkennung im Alter deutlich entspannter und auch gleichberechtigter zugeht als bei den konventionellen Ehen.

Vier starke Geschichten also, die aber nicht so recht zum Leben kommen wollen. Denn die Filmemacherinnen bringen dem dokumentarischen Potenzial ihres Materials zu wenig Vertrauen entgegen und verheizen es in einer Montage kurzer – manchmal auch peinlich übergriffiger – Erzählschnipsel, die statt auf empathische Teilhabe im Publikum auf Entlastung durch komische Pointen setzen: eine filmische Haltung, die Gefahr läuft, die vor allem von den Frauen erlittenen Verletzungen noch einmal als erzählerisches Rohmaterial für ein Feelgood-Stück zu ­funktionalisieren. Gänzlich rätselhaft blieben mir wiederkehrende groteske Knetanimationen, die als Verbindungselemente einige der Paare karikieren.

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