Kritik zu Die Dohnal
Sabine Derflinger porträtiert mit der ehemaligen Ministerin und Feministin Johanna Dohnal eine der einflussreichsten Kämpferinnen für Emanzipation in Österreich
Am 5.11.1979 ernannte der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky die damalige Landesfrauensekretärin der SPÖ, Wiener Gemeinderätin und prononcierte Feministin Johanna Dohnal zur »Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen« im Bundeskanzleramt. Einige Regierungswechsel und über zehn Jahre später wurde sie dann 1990 Ministerin für Frauenangelegenheiten in der großen Koalition unter Franz Vranitzky. Eine Position, die groß klingt, aber beim Kanzleramt angesiedelt blieb und kein eigenes Ministerium zur Verfügung hatte, wie Mitarbeiterin Christine Stromberger im Film erzählt.
Dennoch hat Johanna Dohnal in den fünfzehn Jahren ihres Wirkens Großes für die Frauen (und auch die Männer, darauf würde sie bestehen) im Land bewirkt und setzte bemerkenswerte Projekte der Gleichstellung und Emanzipation auch gegen Widerstand aus der eigenen Partei durch: etwa den Vaterschaftsurlaub, die Stärkung der Rechte lediger Mütter und ein »Gewaltschutzgesetz« gegen häusliche Gewalt. Gemeinsam mit der Frauenbewegung hat sie sich für die Schaffung und Institutionalisierung von Frauenhäusern eingesetzt. Dabei war ihr die reale Wirksamkeit ihrer Vorhaben immer wichtiger als Symbolpolitik.
Die gestandene österreichische Filmemacherin Sabine Derflinger, die zuletzt viel für die ARD gearbeitet hat (»Tatort«, »Die Füchsin«), gehört zur Generation, die mit Dohnal aufwuchs und hat sich mit dem groß angelegten dokumentarischen Porträt ein Herzensanliegen verwirklicht. Dabei erzählt »Die Dohnal« mit vielen verteilten Stimmen von Dohnals ärmlicher Kindheit als Tochter einer ledigen Mutter bis zum unfreiwilligen Ausscheiden aus der Politik 1995 unter dem bedrohlichen Machtzuwachs der FPÖ. Dazu kommen viele ausführliche und aussagekräftige Ausschnitte aus zeitgenössischen Fernsehbeiträgen und Talkrunden, die neben Dohnals Witz und Schlagfertigkeit auch zeigen, welcher Häme die Ministerin bei scheinbar selbstverständlichen Anliegen wie dem Kampf gegen die Vergewaltigung in der Ehe ausgesetzt war. Persönliches kommt bis auf die Kindheit nur in Gestalt von Dohnals später Lebenspartnerin Annemarie Aufreiter vor, die erklärt, dass ein öffentliches Outing beim konservativen Gesellschaftsmodell auch der SPÖ den Verzicht auf den Beruf bedeutet hätte.
Es ist bewundernswert, mit welch scheinbarer Leichtigkeit Derflinger und Editorin Niki Mossböck den bunten Strauß an Zutaten und eine sparsam eingesetzte spröde Musik zu einer mitreißenden Collage zusammenbringen, die neben der 2010 früh verstorbenen »Ministerin/Aktivistin/Visionärin« Johanna Dohnal (wie die Widmung im Abspann heißt) auch die Anliegen und Kämpfe von damals für das Heute und die Zukunft fruchtbar machen. Dabei kommen im Film neben den alten Kämpinnen auch viele junge Frauen zu Wort, die die Standards der Gleichberechtigung lange als selbstverständlich sahen und erst lernen mussten, sich aktiv für sie einzusetzen. Wie es Johanna Dohnal bei einer feierlichen Auszeichnung sagte: »Ich verspreche Ihnen, wir bleiben weiter lästig«.
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