Kritik zu Die Anwälte – Eine deutsche Geschichte
Es waren einmal drei linke Anwälte . . . Heute ist der eine Bundesinnenminister a. D., der zweite eine Kreuzberger Ikone der Grünen, der dritte ein als Holocaust-Leugner verurteilter Rechtsextremist. Birgit Schulz hat einen Dokumentarfilm über sie gemacht
Kriminalgericht Moabit, 1972. Ein Foto zeigt die Strafverteidiger Otto Schily und Christian Ströbele mit ihrem Kollegen Horst Mahler, den sie hier gegen die Anklage der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verteidigen. Eine Kranfahrt führt die Kamera hinauf in den ersten Stock. Unter den einführend kommentierenden Worten liegt leicht nervenzehrende Musik von Pluramon. So beginnt Birgit Schulz' Dokumentation »Die Anwälte«. An dieser Stelle wird sie später auch wieder enden. Dazwischen kommen viele in leeren Gerichtssälen inszenierte Statements der drei Protagonisten, die in der bei zeitgeschichtlichen TV-Dokumentationen üblichen Manier mit Archivmaterial unterlegt sind.
Horst Mahler, Otto Schily, Christian Ströbele: Drei Anwälte von vielen, die damals neben der individuellen Verteidigung ihrer Mandanten auch der ›Klassenjustiz‹ selbst den Kampf angesagt hatten. Unterschiedlich waren sie schon damals. Heute sprechen Schily und Ströbele nicht mehr miteinander. Und Mahler provoziert die Öffentlichkeit mit nationalistischen Auftritten, die fragen lassen, ob er nicht eher in die Psychiatrie als ins Gefängnis gehört.
Wie kommt ein Bürgerrechtsanwalt dazu, sich für die Ausweitung polizeilicher Überwachung stark zu machen? Was bringt den »APO-Anwalt« ganz nach rechts? Ist Ströbeles beharrliche Integrität vielleicht doch nur fundamentalistischer Starrsinn? Und welche Rolle spielen bei den unterschiedlichen Entwicklungen die RAF und die Stammheimer Prozesse mit ihrem Amalgam aus staatlicher Repression und politischer Instrumentalisierung der Anwälte durch die Gefangenen? Fragen, die immer noch beschäftigen, auch wenn sie ebenso wenig neu sind wie die eingesetzten filmischen Materialien von den Anti-Schah-Protesten bis zur Beerdigung von Holger Meins. Die bleiben Illustration. Und auch die Selbsterklärungen der drei Protagonisten führen nicht zu wirklich erhellenden Momenten, weil Widersprüche zugunsten eines homogenen Geschichtsbildes ausgeblendet bleiben und die Auswahl der Statements auch die einzelnen Biografien auf lebensgeschichtliche Koninuitäten reduziert: Schilys bürgerlicher Anstand, auch Ströbeles Gerechtigkeitssinn und Mahlers Nazi-Affiniät werden in Kindheitsszenen basiert, aber zum Beispiel die zwischenzeitige publizistisch-politischen Wirrwege des Letztgenannten nicht einmal erwähnt.
Beobachtung am Rande: Etwa wie Ströbele mit zunehmender Reife und unter abnehmendem Druck an Offenheit zulegt, während bei Schily das frühere Feuer langsam im Körperpanzer erstarrt. Einer der wenigen wirklich bleibenden – weil irritierenden – Momente des Films ist die rätselhafte Doppelgesichtigkeit Horst Mahlers, dessen reflektierte Haltung beim Zweiergespräch so gar nicht zum chauvinistischen Rabaukentum seiner öffentlichen Auftritte passen mag.
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