Kritik zu Der seltsame Klang des Glücks

© Arsenal Filmverleih

2018
Original-Titel: 
Der seltsame Klang des Glücks
Filmstart in Deutschland: 
31.10.2019
L: 
89 Min
FSK: 
keine Beschränkung

In einer bisweilen skurrilen Dokumentation folgt Regisseur Diego Pascale Panarello dem Klang der Maultrommel bis ins sibirische Jakutien

Bewertung: 3
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Jakutien ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von Sizilien. In dem Teilterritorium der Russischen Föderation, fast so groß wie die Europäische Union, wird noch traditionelles Brauchtum gepflegt, und auch bei minus 50 Grad Celsius ist es im nordöstlichen Teil Sibiriens immer noch behaglich. Im heißen Sizilien dagegen liegen verrottete Schiffe vor der Küste und gelangweilte Menschen vor den Fernsehern. So zumindest stellt sich der Gegensatz in Diego Pascal Panarellos Dokumentation dar. 

Fakt oder Fiktion: Panarello inszeniert sich zu Beginn als gescheiterter Künstler, der mittel- und planlos wieder bei seinen sizilianischen Eltern strandet. Es sind die Geräusche der Zikade, die ihn an den flirrenden Ton einer Maultrommel erinnern. Panarello folgt den Klängen bis ins ferne Jakutien, in das »Mekka der Maultrommel«: »Vielleicht ist Jakutien auch mein Mekka«, denkt sich Diego. Dort ist das kleine, harfenförmige, auch in vielen anderen Kulturen verbreitete Instrument Teil der nationalen Mythologie. Es könne den Sommer herbeirufen, Krankheiten heilen und die Menschen glücklich machen. Ein eigenes Museum ist ihm gewidmet. Das Instrument eines jakutischen Musikers wurde sogar in die Raumstation ISS mitgenommen. Wohl nicht zufällig, stellt doch die Maultrommel der jakutischen Legende nach die Verbindung zwischen Kosmos und Erde her. Mehrfach wird die Geschichte zitiert, nach der ein »kleiner Mann« aus den Weiten des Alls zu den Jakuten kommen werde. Die Maultrommel werde ihm eine neue Welt eröffnen und ihn in fantastische, unendliche Weiten entführen. Dieser Messias, den eine lokale Prophezeiung bereits im 19. Jahrhundert angekündigt hat, könnte, so scheinen die Menschen zu glauben, Diego sein. Auch ihm selbst, klein von Statur wie der avisierte Erlöser, der der Welt von diesem Ort und ihrem Nationalinstrument berichten soll, gefällt der Gedanke. Als »Diego Superstar« wird er jedenfalls bei einem Fernsehauftritt gefeiert. 

Neben diesen teils skurrilen Geschichten hat der Film auch in folkloristischer Sicht etwas zu bieten. Die aufwendig bestickten bunten Kleider, die die Jakuten bei ihren Festen tragen, stehen im Kontrast zu den verschneiten Ebenen des Landes. Die Menschen haben sich, so Panarello, »für Lebensentwürfe entschieden, die zu unseren ›westlichen‹ Vorstellungen kaum gegensätzlicher sein könnten«. Diese Lebensentwürfe schließen Handys und Selfiesticks offenbar nicht aus. 

Einen »musikalischen Road-Trip« nennt Panarello seinen Film, »humorvoll-poetisch« überwinde er »die Grenzen von Realität und Traum«. Dieses ästhetische Verfahren lässt den Film aber oft ebenso sprunghaft und orientierungslos erscheinen, wie sich der Protagonist zu Beginn selbst präsentiert. Bizarre Animationen des italienischen Grafikers Alvise Renzini wirken wie zufällig in die lose Bilderfolge hineingeschnitten. Worin die Faszination des Instruments für Diego besteht, kann der Film letztlich nicht recht vermitteln. Auch nicht, warum Panarello am Ende von einer eigens angereisten jakutischen Delegation zum »Meister der Maultrommel« ernannt wird.

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