Kritik zu Der Prinz und der Dybbuk
Wer war Michal Waszynski wirklich? Elwira Niewiera und Piotr Rosolowski suchen in ihrem Dokumentarfilm nach den Spuren des polnischstämmigen Regisseurs und Produzenten
Als Michal Waszynski 1965 starb, wurde er in Rom pompös mit einem katholischen Begräbnis beigesetzt. Die Wochenschau hat darüber berichtet. Er war bekannt, weil er die in Europa gedrehten Big-Budget-Filme amerikanischer Produktionsfirmen wie »Untergang des römischen Reiches« (1964) betreute und immer die Gesellschaft der Stars suchte. Er liegt in der Gruft der Familie Dickmann, und auf dem Weg dahin schneiden die beiden Filmemacher Elwira Niewiera und Piotr Rosolowski einen Ausschnitt aus Waszynskis Film »Der Dybbuk« (1937): wie der Totengeist zwischen den Gräbern auf uns Zuschauer zukommt.
Waszynski, der sich in Italien als Prinz ausgab, war Jude, und »Der Dybbuk« ist sein persönlichster Film, der Mythos vom Dybbuk, der sich in den Körpern der Lebenden einnisten kann, wird ihn bis an sein Lebensende beschäftigen. Vielleicht, weil die Umklammerung durch den bösen Geist auch die Frage der Identität berührt. Denn Waszynski hat mit seiner Geschichte vor dem Zweiten Weltkrieg tabula rasa gemacht.
Und der spürt der Film nach. Waszynski, der Mann mit den vielen Gesichtern, ist als Moshe Waks in einem Ort namens Kowel geboren, der heute in der Ukraine liegt und früher zu Polen gehörte. Es gibt noch Überreste des jüdischen Friedhofs, aber die alte Synagoge beherbergt heute eine kleine Textilfabrik. Die Kamera fährt über die fertig produzierten Anzüge, und man fühlt sich erinnert an die Kleiderberge der Konzentrationslager. Immer wieder montieren die beiden Filmemacher solche metaphorischen Sequenzen in ihre Doku und weisen über die individuelle Geschichte hinaus. »Mein Ort verschwindet, als hätte ich nie eine Jugend gehabt«, hat Waszynski in sein Tagebuch geschrieben.
1922 verließ Waszynski Kowel, konvertierte zum Katholizismus. Und wurde der prominenteste polnische Regisseur der Vorkriegszeit, mit einer enormen Produktivität. Allein 1938 kamen sieben Filme von ihm in die Kinos. 1941 schloss er sich der Armee der polnischen Exilregierung unter General Anders an, als Mitarbeiter eines Kameratrupps. 1944 filmte er die Schlacht um Monte Cassino. Er drehte drei Filme auf Italienisch und arbeitete dann nur noch als Produzent in Italien und Spanien. Und er ist in dieser Zeit gezwungen, einen weiteren Teil seiner Persönlichkeit zu verleugnen: seine Homosexualität.
Auch wenn »Der Prinz und der Dybbuk« der Biografie von »Mike« folgt, ist der Film kein simpler filmkundlicher Dokumentarfilm, der Fakt an Fakt reiht. Er montiert sein Material zu einem berührenden Essay über Identität und Illusion. Und europäische Geschichte. Archivaufnahmen aus den Shtetln Osteuropas erinnern daran, dass es diese Welt nicht mehr gibt und die Menschen aus den Filmen von den Nazis umgebracht wurden. Zu den berührendsten Sequenzen gehören Amateuraufnahmen aus der römischen Wohnung des vermeintlichen Aristokraten. Einmal steht er am Fenster und raucht, das Licht von draußen überstrahlt die Szene, und er wirkt so schemenhaft wie ein Totengeist. »Wir suchen den Dybbuk«, hat er in seinen späten Jahren immer wieder zu seinem Fahrer gesagt.
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