Kritik zu Camp 14 – Total Control Zone

© Real Fiction

2012
Original-Titel: 
Camp 14: Total Control Zone
Filmstart in Deutschland: 
08.11.2012
L: 
104 Min
FSK: 
12

Geboren und aufgewachsen in einem nordkoreanischen Straflager: Der deutsche Regisseur Marc Wiese dokumentiert die Lebensgeschichte von Shin Dong-huyk, der erst im Alter von 23 Jahren die »freie« Welt kennenlernte

Bewertung: 4
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Selbst für kommunismusaffine Westler dürfte der nordkoreanische Alltag recht weit vom Paradies entfernt sein. Für Shin Dong-huyk war das anders. Denn der kam von einem noch weit weniger paradiesischen Ort. Shin Dong-Hyuk wurde 1983 in einem nordkoreanischen Straflager mit 40 000 Gefangenen als Sohn einer Gefangenen geboren und wuchs auch dort auf – mit einer von der Lagerverwaltung zusammengestellten Ersatzfamilie. Denn Blutsverwandte wurden sofort voneinander getrennt, damit Bindungen gar nicht erst aufkamen. Auch sonst waren die Regeln eng und unerbittlich, die Strafen scharf: Schon das ungefragte Sprechen mit einem anderen Insassen bedeutete – wie unzählige andere »Vergehen« –sofortiges Erschießen, jeder Ungehorsam den Tod. Die Hinrichtungen waren öffentliche Zwangsveranstaltungen, die Folterungen ausgeklügelt und in ihren Apparaturen für ein armes Land erstaunlich aufwendig.

Shin Dong-Hyuk litt nicht unter dem Lager, denn er hatte nie etwas anderes kennengelernt als das Leben im unbedingten Gehorsam, die Welt jenseits war ihm unbekannt, und er konnte sie sich auch nicht vorstellen. So verriet er mit vierzehn Jahren einen Fluchtplan von »Mutter« und »Bruder« – aus Pflichtgefühl, aber auch weil er dem Bruder die Sonderration an heimlich angespartem Essen neidete. Denn der Hunger plagte Shin wie alle anderen auch, gelegentlich eingefangene und geröstete Ratten waren die einzige Bereicherung der spärlichen Mais-Kohl-Einheitskost. Als dem 23-Jährigen ein neu eingelieferter Mithäftling erstmals von Hähnchenkeulen und anderen Genüssen erzählte, riskierte auch er die Flucht, um sich wenigstens einmal satt essen zu können, wie er sagt. Sie gelang. Und draußen sah er dann erstmals, was er als Paradies empfand: Menschen ohne die dunkle Gefangenenkleidung, die sich ganz ohne Aufsicht einfach miteinander unterhalten.

Mittlerweile lebt Shin in Südkorea und reist als Zeitzeuge für eine Menschenrechtsorganisation nach Genf und in die USA. Und auch für diesen Film berichtet er geduldig über seine Erfahrungen. Doch angekommen ist er in der Freiheit bis heute nicht, ein ganzes Leben in Unfreiheit lässt sich nicht einfach abschütteln wie ein schlechter Traum. Der langjährige Fernsehdokumentarist Marc Wiese verknüpft Shins in ihrer Dramatik schier unglaubliche Geschichte für diesen Kinodokumentarfilm mit den Aussagen zweier ehemaliger Wärter und illustriert sie – mangels anderer Bilder, nur ein paar von einem Wärter heimlich gefilmte Szenen aus dem Lager gibt es – mit Zeichentrickstrecken von Cartoonamoon (The Green Wave), die das Lagerleben auf traum-realistische Weise animieren.

Camp 14 – Total Control Zone ist eine beklemmende Studie über totalitäre Gewalt und die Fügbarkeit des Menschen. Und über existenzielle Einsamkeit. Denn der mitreißende Dokumentarfim hat eine verstörende Pointe: Shin Dong-huyk würde nach alledem – auch angesichts der Ungleichheit durch die Macht des Geldes – am liebsten in sein altes Straflager zurückkehren. Das sagt er jedenfalls. Bleibt als Letztes nur der kritische Hinweis auf die in ihrer sanften Sonorität so gar nicht passende Voice-over-Stimme von August Diehl.

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