Kritik zu Breaking Social

© Mindjazz Pictures

2023
Original-Titel: 
Breaking Social
Filmstart in Deutschland: 
26.10.2023
L: 
93 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Der Schwede Fredrik Gertten berührt in seiner Dokumentation aktuelle Themen wie Aktivismus, Ausbeutung, Korruption und gesellschaftlicher Wandel

Bewertung: 2
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»Valle del Choapa, Zona di Sacrificio« hat jemand in riesigen Lettern mit weißer Farbe auf den Boden gemalt, so dass es erst von hoch oben sichtbar wird wie für die Drohnenkamera dieses Films (für die die Schrift vielleicht ja auch angefertigt wurde). Drum herum zu sehen eine Mischung aus pflanzlichen Monokulturen und Abbauhalden. Früher, so eine Bäuerin, waren hier Bäume und ein Flüsschen, in dem Kinder baden konnten. Mittlerweile habe die Wasserentnahme für den Bergbau all dies zerstört. 

Das nordchilenische Tal ist einer der Schauplätze dieses Films, zu denen auch ein anderes Bergbaurevier in West Virginia, die korruptionsgebeutelte Insel Malta oder die Stadt New York gehören, wo »New York Times«-Redakteur Peter Goodman zu einer Obdachlosen-Station und den Protzpalästen der Vermögensbetreuer an der Park Avenue führt.

Es geht – zumindest anfangs – um Ausbeutung, Bereicherung und Netzwerke von Korruption und Steuervermeidung. Es geht um die Beeinflussung politischer Entscheidungsprozesse mit verdeckten Operationen durch die und zugunsten der Finanzmächte, wie es der Strategie-Analyst und Autor Sven Hughes beim Angeln an einem idyllischen Teich in Surrey erzählt. Er hat vor einiger Zeit die umstrittene Datenanalytik-Firma Cambridge Analytica aus ethischen Gründen verlassen und besitzt dadurch einiges an Insiderwissen über die Welt, wo Weltbürgerschaft vor allem Steuerfreiheit durch den sogenannten Golden Pass bedeutet. 

Theoretischer dagegen die ­Überlegungen des im Film viel Raum bekommenden niederländischen Historikers Rutger Bregman, von dem auch der Untertitel »Können wir uns die Reichen noch leisten?« stammt. Allerdings nicht als Frage sondern als Statement: »Wir können uns die Reichen nicht leisten«, sagt er. Und: Bescheidenheit sei tief in unserer DNA verwurzelt. Seine Behauptung, dass BiologInnen mittlerweile von einem survival of the friendliest ausgehen würden, weil diese Freundlichsten die meisten Kinder in die Welt brächten, scheint erst mal originell, aber nach einem Blick in die Welt doch eine mehr als fragwürdige These.

Die meisten anderen Argumente dieses Films des schwedischen Regisseurs Fredrik Gertten haben wir anderswo schon einmal überzeugender und klarer strukturiert gesehen. Auch die Entwicklung der Narration erscheint erratisch. Exemplarisch für diese Unentschlossenheit des Films ist, wenn er am Ende bei den Frauendemos gegen patriarchale Gewalt in Santiago de Chile ankommt. Das gibt tolle kämpferische Bilder, die mit den anfänglichen Fragen aber nur noch sehr vermittelt zu tun haben. Außerdem wirkt es nicht rechtschaffen, wenn dabei sympathisierend vom Ringen um die neue diverse und demokratische Verfassung in Chile erzählt wird (übrigens mit derselben Protagonistin wie in Patricio Guzmáns (Mi país imaginario), dabei aber deren deutliche Ablehnung in einer Volksabstimmung letztes Jahr unterschlagen wird. So einfach ist es mit dem von einer Person im Film propagierten »Possibilismus« (Ja, wir können in der Welt etwas ändern!) eben doch nicht.

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