Kritik zu Bombay Beach
Der amerikanische Traum – nach dem Erwachen könnte er so aussehen wie in Alma Har’els poetischem Dokumentarfilm über eine der ärmsten Gegenden Kaliforniens
Der Salton Sea ist der größte See Kaliforniens, entstanden erst 1905 durch einen Dammbruch am Colorado River. In den 50er Jahren wurde an seinen Ufern ein Freizeitparadies aufgebaut. Heute ist von dem einstigen Glanz nichts übrig, die Restaurants und Boutiquen sind verfallen, der einst blühende Ferienort Bombay Beach wirkt wie eine Geisterstadt. Die Menschen, die jetzt dort leben, sind die Vergessenen und Ausgestoßenen.
Alma Har’el, aus Israel stammend und in den USA als Regisseurin von Musikvideos bekannt, hat diese Gegend und ihre Bewohner bei einem Dreh für die Band Beirut kennengelernt. Konsequenterweise lässt sie nun auch in Bombay Beach deren elegische Musik erklingen, ergänzt durch einige Songs von Bob Dylan. Der Soundtrack und die Bilder von einem surrealen Ort, wo die Welt und die Träume enden, schaffen die atmosphärische Grundierung für Har’els liebevolle Annäherung an ihre Protagonisten.
Da ist zum einen der alte Red; tiefe Spuren hat sein rastloses Leben an ihm hinterlassen, doch er spricht ohne Bitterkeit von verlorener Liebe und Lebenszielen, dem unaufhaltsamen Lauf der Zeit. In manchen Szenen legt sich seine sonore Stimme wie die eines weisen Erzählers über die Bilder – doch dann stößt er mit Sätzen über die »ungute Vermischung der Rassen« vor den Kopf. Dann ist da Cee-Jay, ein schwarzer Jugendlicher, der nach der Ermordung seines Cousins durch Gangmitglieder nach Bombay Beach gezogen ist, um der Gewalt und den Drogen in Los Angeles zu entfliehen. Die beeindruckendste der drei Hauptfiguren ist Benny, ein kleiner Junge mit großen, traurigen Augen, dessen Familie ziemlich genau das Klischee des »White Trash« verkörpert. Benny leidet an einer bipolaren Störung und eckt immer wieder durch Wutausbrüche an. Doch wenn der Film zeigt, wie viel Fantasie in ihm steckt, fragt man sich unwillkürlich, was schlimmer ist: seine Störung oder eine Fürsorge, die ihn mit allen erdenklichen Medikamenten gesellschaftsfähig machen will.
Auf der Spur der Nöte wie der Glücksmomente jener Menschen verlässt Har‘el die Pfade des Dokumentarfilms zugunsten lyrischer Stilisierung. So ist die Montage teilweise assoziativ, die Bildästhetik zeichnet sich durch eine betont geringe Schärfentiefe aus, wie sie auch häufig in Musikvideos zu sehen ist. Wirklich ungewöhnlich ist jedoch der Einsatz inszenierter Sequenzen: Anfangs kaum unterscheidbar von spontanen Aktionen der Protagonisten, häufen sich dann eindeutig einstudierte Tanzszenen. Ein mutiges Mittel, mit dem die Regisseurin zwar riskiert, dass auch die Authentizität anderer Szenen infrage gestellt wird, mit dem sie aber die große Achtung ausdrückt, die sie für ihre Protagonisten empfindet: Sie bietet ihnen eine Bühne für ihre spielerischen Selbstinszenierungen.
Ein größeres Problem ist, dass es Bombay Beach trotz seiner Schönheit an inhaltlicher Klarheit mangelt. Er mäandert wie ein etwas zu lange geratenes Gedicht dahin und lässt zu vieles in der Schwebe, das einen genaueren, manchmal auch weniger barmherzigen Blick verdient hätte.
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