Kritik zu Attack the Block
Britische Ghetto-Kids gegen Monster aus dem All. In Joe Cornishs Mix aus Horror, Science-Fiction, Comedy und Sozialdrama entwickeln Homeboys angesichts der außerirdischen Bedrohung Verantwortungsgefühl
London, ein Problemviertel. Zwischen trostlosen Betonklötzen treiben Jugendbanden ihr Unwesen. Sie tragen fast alle dunkle Hoodies, Kapuzenpullover, die sie nachts bedrohlich erscheinen lassen. Diese Welt der Vorstädte mit ihrer Jugendkriminalität hat kürzlich auch Daniel Barbers Film Harry Brown auf grimmige Weise beschrieben: Der alte Michael Caine führt darin einen blutigen Feldzug gegen die juvenile delinquents. Jetzt hat das Thema noch an Brisanz zugelegt angesichts der Ausschreitungen in Tottenham Anfang August.
Dass es in Joe Cornishs Debütfilm nicht ganz so düster zugeht, sondern alles ein wenig märchenhaft und ironisch aufgefasst wird, das merkt man bereits am Himmel über London, einem magisch-unruhigen Himmel voll herabsausender Sternschnuppen. Eine junge Frau namens Sam wird auf dem Weg nach Hause von einer Handvoll Ghetto-Kids überfallen und ausgeraubt. Der Anführer Moses entreißt ihr noch ein persönliches Schmuckstück, als plötzlich ganz in der Nähe ein Meteorit einschlägt. Aus dem Gestein schält sich ein zotteliges Monster heraus, ein Monster aus dem All, das zugleich auch ein Monster des Inneren ist: nämlich die Verkörperung des schlechten Gewissens der Ghetto-Kids. Aber noch haben Moses und seine Jungs nichts begriffen. Sie jagen das Monster, bringen es zur Strecke und tragen den Kadaver wie eine Trophäe durch ihren Wohnblock, den Wyndham Tower.
Der erste Teil von Cornishs Film, der von den Shaun of the Dead-Machern produziert wurde, ist ein spannendes Verwirrspiel. Wer ist eigentlich das Monster und wer der Held, wer agiert als Täter und wer ist nur Opfer? Im zweiten Teil, als immer mehr haarige Monster in London landen und den Wyndham Tower attackieren, präsentiert uns Cornish astreines Kino der Belagerung. Der Wohnblock wird zum Fort. Und die Homeboys mit Moses an der Spitze haben endlich eine Aufgabe. Sie können sich tatsächlich als Krieger fühlen. Aber sie sind noch lange keine guten Typen, geschweige denn Helden. Dazu müssen sie erst ihre Kapuzen herunterziehen und ihre Verletzlichkeit offenbaren. Sie müssen sich zudem mit ihrem anfänglichen Opfer, der taffen Sam, aussöhnen. Und Moses muss erkennen, dass er mit seiner Geltungssucht selbst die Geister gerufen hat. Mit dieser Erkenntnis erst trägt er seinen Namen zu Recht: Moses, der Anführer einer neuen Community.
Der Film ist rasantes, manchmal etwas ausgeklügeltes Genrekino zwischen Fun und Gesellschaftskritik. Cornish kennt die Horrortradition ganz genau. So ist der Tower wohl nach John Wyndham benannt, dem britischen Schriftsteller der Apokalypse. Was aber viel wichtiger ist: Cornish variiert das Traumpaar des Horrorfilms seit 1968: Moses und Sam sind nicht nur ein farbiger Mann und eine tatkräftige weiße Frau. Sie unterscheiden sich auch durch Alter und Klassenzugehörigkeit. Zweifellos ein schönes, schlagkräftiges Paar.
Etwas aber fehlt diesem ideenreichen, solide inszenierten Film: die tiefgreifende Bedrohung. Die Monster wirken lächerlich, und in manchen Passagen hat man den Eindruck, Carpenters Assault sei hier wiederverfilmt worden als britischer Kinder- und Jugendfilm.
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