Kritik zu Archipelago

© Verleih

2010
Original-Titel: 
Archipelago
Filmstart in Deutschland: 
24.05.2012
L: 
114 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Wenn jeder Mensch ein Eiland ist, dann ist die Familie ein Archipelago, eine Gruppe von unter Wasser verbundenen Inseln. In ihrem Film lässt Joanna Hogg einen Sturm über diese Inselgruppe hinwegwehen, der die Verbindungen auf die Probe stellt

Bewertung: 3
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 1)

Malerisch ist die Landschaft auf Tresco, einer der Scilly Islands im äußersten Südwesten Englands, so als wäre man in der Karibik. Palmen wiegen sich im rauen Wind, weiß-blau wechselt Sand zu Meer und die Häuser passen sich bescheiden dem Überfluss an Natur an. Auf dieser Insel haben Edward (Tom Hiddleston) und Cynthia (Lydia Leonard) in ihrer Kindheit die Ferien verbracht, in einem alten Herrenhaus mit eigenem Charakter. Nun sind beide erwachsen. Edward steht vor einem freiwilligen Jahr als Lehrer in Afrika.

Ein paar Tage auf der Insel der frohen Erinnerungen soll die Familie noch einmal zusammenbringen, so zumindest denkt es sich die Mutter (Kate Fahy). Dass sie der Vater von Tag zu Tag vertröstet, und schließlich gar nicht erscheint, ist nur eine der Misslichkeiten in diesen Tagen des Abschieds. Dass Edwards Freundin nicht dabei sein darf, eine andere.

Gespräche strukturieren diesen Film. Zwischen Mutter und Sohn, zwischen den Geschwistern, zwischen Edward und der jungen Köchin, die eigens engagiert wurde, um der Familie den Tag zu erleichtern. Es passiert nicht viel und doch merkt man, wie sich die alten Wunden bemerkbar machen, die das gemeinsame Leben geschlagen hat, wie jeder seine gewohnte Rolle einnimmt, von der er sich hatte lösen wollen, und an den eigenen Erwartungen scheitert. Das Spiel der Familie parallelisiert Regisseurin Joanna Hogg mit der Geschichte eines Malers, der den Damen Unterricht gibt. Hier entsteht der Film wie ein Gemälde. Ein Strich hier, ein paar Tupfer da, die Konzentration auf die eine Farbe, der Verzicht auf eine andere zugunsten eines einzigartigen Zusammenspiels. Joanna Hogg malt ihre Geschichte. Die Kamera bleibt distanziert, lauscht dem Gespräch, ohne den Redenden zu nahe zu rücken. Kaum eine Miene wird verzogen, keine Gesten, kein Wandel im Ausdruck. Und doch explodiert da etwas in der Familie, das sich mit Worten nicht festhalten lässt, sondern seinen Niederschlag im Bild findet.

Man braucht eine gewissen Ruhe, um die Kunst dieses Filmes zu erkennen und den Willen, den Menschen zu folgen wie sie sind. Ohne dass der Film die Zeit oder den Willen hätte, Zusammenhänge zu erklären. Er öffnet ein Fenster, auch darin einem Gemälde nicht unähnlich, in eine fremde, aber sehr individuelle Welt. Die Dialoge sind nicht so sehr an den Zuschauer gerichtet, um einen Verlauf, persönliche Zusammenhänge oder Ideen zu vermitteln, es sind Gespräche, die oft und überall geführt werden. Und wir haben die Möglichkeit; einfach zuzuhören. Diese Gespräche sind letztlich auch nur künstlerisches Material. Und der Verzicht auf Musik, auf Mittel der künstlichen Stimmungen, macht es dem Zuschauer zusätzlich schwer, zu fassen, was sich hier tut. Und doch bleibt eine gewisse Faszination, eine magische Verbindung mit den wenigen Personen in ihrem trügerischen Paradies.

Ganz zu Beginn fragt die Köchin, ob die Farbunterschiede an der Wand über dem Kamin daher stammen, dass dort einmal ein Bild gehangen habe. Ja, antwortet die Mutter, aber es war so grauenhaft, dass wir es abgenommen haben. Der Film selbst tritt nun an dessen Stelle.

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