Kritik zu Adiós Buenos Aires

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German Kral erzählt von einem Bandoneonspieler, der wegen der argentinischen Dauerkrise seine Heimat verlassen und nach Deutschland auswandern will. Aber natürlich kommt es anders

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Er hat den Glauben an sein Land verloren, er will weg. Korruption, Inflation, politisches Chaos, soziale Unruhen. Und keine Aussicht auf Besserung. Julio verkauft das kleine Schuhgeschäft in Buenos Aires, in dem schon sein Vater hinter der Theke stand, er kündigt den Mietvertrag für die Wohnung, in der er mit seiner Tochter und seiner Mutter zusammenlebt. Er hat sich entschieden, mit den beiden nach Deutschland zu gehen, wo alles sehr viel besser sein wird. Dessen ist er sich sicher. Nur seinen alten Kumpanen von der Tango-Kombo, in der er das Bandoneon spielt, muss er noch die bittere Wahrheit gestehen, nämlich dass er klein bei- und aufgibt.

»Adiós Buenos Aires« ist das Spielfilmdebüt des 1968 eben dort geborenen, an der HFF in München ausgebildeten Dokumentarfilmers German Kral, der 2015 mit »Ein letzter Tango«, dem Porträt eines berühmten Tanzpaares, einen beachtlichen Erfolg feierte. Angesiedelt ist das Geschehen inmitten der Zuspitzung der argentinische Wirtschaftskrise im November 2001. Seinerzeit hatte die Regierung von einem Tag auf den anderen alle Bankkonten des Landes eingefroren und solcherart das ohnehin bereits aufgebrachte Volk endgültig auf die Straßen getrieben; drei Wochen später führten die sogenannten Kochtopf-Proteste vom 19. und 20. Dezember zu ihrem Rücktritt. Originalaufnahmen des Aufruhrs, im Zuge dessen die Polizei auf Demonstrierende unter anderem auf der Plaza de Mayo schießt, montiert Kral mit einem Auftritt der kleinen Tango-Kombo bei einer Party, die einer der korrupten Minister für seine Gattin schmeißt. Dazu intoniert der Sänger der Kombo den berühmten Tango »Cambalache« von Enrique Santos Discépolo aus dem Jahr 1934, in dem es unter anderem heißt: »Dass die Welt ein Saustall ist, das weiß ich schon längst. (…) Dass aber das 20. Jahrhundert ein Aufmarsch an dreister Bosheit ist, das kann niemand länger leugnen.« Und hocherfreut beklatscht die auf der Dachterrasse versammelte Elite den zu Gehör gebrachten Oldie, ohne auf sich selbst kurzzuschließen.

Solcherart himmelschreiend und schmerzhaft sind die Widersprüche, die Kral immer wieder in seine dann aber doch eher konventionell verlaufende Geschichte einflicht. Denn was passiert, als Julio schon beinahe die Flugtickets in der Hand hat? Eine flotte Taxifahrerin schrottet sein Auto, woraus sich Verwicklungen nicht nur finanzieller Natur ergeben. Zudem rettet die Tango-Kombo den legendären Maestro Ricardo Tortorella aus einem Altenheim und erfreut sich durch die Mitwirkung des dankbaren Sängers verstärkten Publikumszuspruchs. Dann kündigen Mutter und Tochter Julio die Gefolgschaft und wollen lieber in der Heimat bleiben. Eigentlich ist die Chose sonnenklar, nur nicht für Julio, der den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Also fragt sich, ob er es wohl noch rechtzeitig zu seinem eigenem Happy End schaffen wird. Nein, eigentlich fragt sich das nicht wirklich; doch auch wenn der Handlungsverlauf von »Adiós Buenos Aires« relativ rasch zu erraten ist, die wunderbaren Tangos, die ihn begleiten, machen so einiges wett.

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