Kritik zu Abenteuer eines Mathematikers
Basierend auf der gleichnamigen Autobiografie erzählt Thor Klein vom Leben des polnisch-jüdischen Atomwissenschaftlers Stan Ulam, der im Rahmen des Manhattan Project am Bau der amerikanischen Atombombe beteiligt war
Es ist der Satz, er fällt ganz zum Ende des Films, der das ganze Dilemma offenbart: »Ich wollte keine Menschen töten, ich wollte unsere Familie retten«, sagt Stan Ulam (Philippe Tlokinski) zu seinem Bruder Adam (Mateusz Wieclawek). Es ist ein Dilemma, das wieder von trauriger Aktualität ist: Darf man Waffen liefern, um ein angegriffenes Land zu unterstützen? In Stans Fall: Darf ich eine massenvernichtende Atombombe entwickeln, die auch unschuldige Menschen tötet, einem grausamen Krieg eine weitere grausame Facette verleiht, die bis heute nachwirkt? Stan Ulam (1919–1984), ein polnisch-jüdischer Mathematiker, war maßgeblich an der Entwicklung der ersten Atombombe beteiligt. Der deutsche Drehbuchautor und Regisseur Thor Klein hat aus dessen Autobiografie einen Film gemacht, der sich nicht so recht entscheiden kann, wie er davon erzählen soll.
Zusammen mit seinem Bruder Adam ist Stan vor den Nazis aus dem damaligen Lwów/Lemberg in die USA geflüchtet. Von Harvard aus geht er auf Einladung seines Freundes Johnny (Fabian Kociecki), dem ungarischen Mathematiker John von Neumann, nach Alamo, um dort in einer Gruppe junger Wissenschaftler im Rahmen des »Manhattan Project« eine Bombe zu entwickeln.
Den Bruder Adam, der mit seiner jüdischen Identität hadert und sich völlig allein fühlt, lässt Stan zurück; ein Konflikt, der bis zum Ende des Films keinerlei Bedeutung mehr annimmt. Vor seiner Abreise heiratet Stan noch schnell die jüdische Französin Françoise (Esther Garrel), zunächst nur, um ihr als Ehefrau ein Bleiberecht in den USA zu beschaffen. Aber dann entwickelt sich die Ehe doch noch zu einer Romanze. Zumindest behauptet das der Film. Während Françoise in der Abgeschiedenheit und Abgeschottetsein des Stützpunktes unglücklich ist, hadert Stan immer wieder mit der Entwicklung der Bombe, streitet mit seinen so genialen wie engagierten Kollegen, darunter Edward Teller (Joel Basman), der im Konkurrenzkampf zu Robert Oppenheimer steht. Stan philosophiert mit seinem Freund Johnny, der eines Tages völlig verstört von einem Atomtest zurückkehrt, der möglicherweise zu seinem qualvollen Krebstod führte. Ein deutscher Kollege wird später zu den Russen überlaufen, was die amerikanischen Wissenschaftler einmal mehr motiviert, schneller als der Feind im Osten zu sein.
Einer historischen Nacherzählung gleich spult Klein diese Ereignisse mit Jahreszahlen versehen ab. Das reiche dramaturgische Potenzial der Ära, den historisch-wissenschaftlichen Kontext, die gesellschaftlichen Konflikte, sogar die emotionale Ebene des Dramas lässt er dabei gleichsam ungenutzt verpuffen. Klein konzentriert sich ganz auf die Figur Stan Ulams, den Wissenschaftler, den er als einen Menschen darstellt, der allein für seine Arbeit lebt, genau dadurch aber in ein Dilemma gerät. Aber Ulam, der später nicht mehr forschte, sondern nur noch lehrte, bleibt eine Hülle. Von Abenteuer keine Spur.
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