Kritik zu Der Russe ist einer, der Birken liebt
Elliptisch und verschachtelt: Pola Becks Geschichte einer unsteten Frau
Frei sein heißt zum Freisein verurteilt zu sein, schrieb der französische Philosoph Jean-Paul Sartre in seinen existenzialistischen Betrachtungen. Zur Freiheit verdammt ist auch Mascha (Aylin Tezel), die zwischen Köln und Tel Aviv, zwischen den Traumata der Vergangenheit und einer ungewissen Zukunft einen Platz in der Welt und letztlich sich selbst sucht. Eine ganze Weile läuft sie nur vor sich und dem Leben davon.
Dabei ist sie nicht auf den Mund gefallen, weder als angehende Dolmetscherin, die fünf Sprachen beherrscht, noch im Alltag angesichts des Rassismus, dem sie und ihr diverser Freundeskreis ausgesetzt sind. Als kleines Mädchen war sie Mitte der Neunziger mit ihrer Mutter von Aserbaidschan nach Deutschland gekommen, wie so viele jüdische Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion. Mittlerweile ist sie erwachsen, zumindest dem Alter nach, eine selbstbewusste junge Frau, die schlagfertig, kompromisslos und klug ist, aber eben auch ziemlich verloren.
So sprunghaft wie seine Protagonistin beginnt »Der Russe ist einer, der Birken liebt«, die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Olga Grjasnowa aus dem Jahr 2012. Da taucht in schnellen Schnitten ein Mann in Maschas Bett auf, im nächsten Bild ist es ein anderer, noch ein Schnitt und neben ihr liegt eine junge Frau. So setzt es sich fort über die nächsten 110 Minuten. Statt linear fortzuschreiten oder in klassischen Rückblenden vorzugehen, springt die Handlung verschachtelt und oft momenthaft zwischen den Zeitebenen: von der Beziehung mit ihrem Freund Elias (Slavko Popadic) und dessen schwerem Unfall zum Seitensprung mit ihrem Ex Sami (Bardo Böhlefeld) und der Reise nach Israel, nach Elias plötzlichem Tod, wo sie sich in die junge Soldatin Tal (Yuval Scharf) verknallt. Beim Zuschauen dauert es zumindest ohne Kenntnis der Buchvorlage eine ganze Weile, bis man sich zurechtfindet in diesen elliptisch versammelten Schnipseln, mit denen der Film versucht, die Orientierungslosigkeit und den Trauerprozess seiner Protagonistin in einen filmischen Ausdruck zu übertragen.
So eindrücklich dieser Kniff von Regisseurin Pola Beck und ihrem Drehbuchautor Burkhardt Wunderlich (der bereits ihr Langfilmdebüt »Am Himmel der Tag schrieb«) ist, nicht brav ordentlich von A bis Z abzuhaken, wird er doch zur Masche. Einige Szenen wirken unglaubwürdig und lediglich konstruiert, um eine Funktion zu erfüllen, anderes wird zu sehr über Dialoge erzählt, statt es zu zeigen. Am ärgerlichsten ist allerdings die Nebenfigur des besten schwulen Freundes Cem, der immer dann auftaucht, wenn Mascha Hilfe und Trost braucht. Sohel Altan Gol spielt die undankbare Rolle mit großer Empathie und bewahrt sie davor, reiner Funktionsträger zu sein. Den Film rettet am Ende Hauptdarstellerin Aylin Tezel, die sich mit intensiver Wucht und emotionaler Glaubwürdigkeit in die ambivalente Figur wirft und sich einmal mehr als eine der spannendsten Schauspielerinnen ihrer Generation erweist.
Kommentare
Hmmmm.....
..... vielleicht sollte ich mir die positiven Erinnerunen an das Buch nicht durch diese Verfilmung trüben lassen.
Der Russe ist einer, der Birken liebt
Ich muss betonen, dass ich das Buch nicht kenne, und deshalb nicht vergleichen kann. Mir hat das Drama sehr gut gefallen. Für mich ist es eine Coming Off Age Story in einer politischen, von Kriegen bedrohten Welt. Dabei steht die Entwurzelung und Verlorenheit der Hauptdarstellerin im Vordergrund. Mascha hat keinen Halt im Leben, aber ihr Freund, ihre große Liebe, scheint dann doch eine Art Zuhause für sie zu werden. Als ihr das Leben diesen dann schließlich entreißt, gerät sie vollkommen aus der Bahn .Sie fliegt dann nach Tel Aviv, anstatt sich ihrer Trauer zu stellen. Vielmehr noch glaubt sie, dass sie die Ursache für den Tod des Freundes ist da sie ein "schlechter Mensch" ist. Alles was ich liebe stirbt, sagt sie zu der Soldatin Cal, die sie ausgewählt hat, weil sie eine starke, wenig emphatische, hatte Petsönlichkeit hat, die sich wehren kann gegen den Tod. Sie hat ein Gewehr und der Tod scheint zu ihrem Leben zu gehören. Sie ist nicht verletzlich. Doch so eine freie Persönlichkeit wie al kann ihr nicht den Schutz und die Liebe geben, die sie braucht. Sie erkennt, dass das einzig beständige in ihrem Leben Cem ist, ihr bester Freund, der weiß, was Verlust bedeutet. Er ist der letzte Rest Familie, der ihr geblieben ist. Genauso umgekehrt. Der Film zeigt auch, das ein schweres Schicksal den Menschen nicht vor Fehlern und moralischen Entgleisungen bewahrt. Aber sie wiegen dann umso schwerer. Der Wille zum Leben und zum Lieben ist das Stärkste, was ein junger Mensch dem Schicksal entgegen zu setzen hat. The Show must Go on!
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns