»Game of Thrones: The Bells« (S08E05)

»Game of Thrones: The Bells« (S08E05)

Foto: © HBO

»Und ich sah, und siehe, ein fahles Pferd. Und der darauf saß, dessen Name war: der Tod, und die Hölle zog mit ihm einher«

Es wird apokalyptisch in Westeros: In »The Bells« treffen die verbliebenen Streitkräfte der beiden Königinnen zum last war von King’s Landing aufeinander. Es ist das letzte Großereignis in der Serienerzählung. Ausstehende Rechnungen werden beglichen, lang erwartete Ziele erreicht, Schicksale besiegelt. Dany erobert die Hauptstadt und damit den Eisernen Thron. Cersei stirbt, begraben unter den Trümmern ihrer unglückseligen Herrschaft. Und die Brüder Clegane haben ihren Bowl. Doch hinterlässt »The Bells« weder Freude noch Zufriedenheit, nicht einmal ein grimmiges Gefühl von Genugtuung. Alles, was bleibt, ist das schale Gefühl von Asche. Tyrions Drohung an Cersei aus »The Prince of Winterfell« (S02E08) erweist sich als schauerliche Weissagung: The day will come, when you think your safe and happy and your joy will turn to ashes in your mouth. And you‘ll know the debt is paid.

Benommen taumelt Arya durch die Ruinen der Stadt. Sie ist von Kopf bis Fuß mit Blut, Staub und Asche überzogen, wirkt mehr tot als lebendig. Um sie herum liegen zerstörte Häuser und geschundene, verbrannte Leiber. Asche schneit vom Himmel und gibt dem grausigen Setting eine unwirkliche Atmosphäre. Aus dem Nichts erscheint ihr ein weißes Pferd, auf dem sie den Todesort verlässt. Ein passender Verweis auf die Johannes-Offenbarung. King’s Landing wird zur Apokalypse, im wörtlichen Sinne, als das am Schrecken des Unterganges etwas offenbar wird. Dany hat King’s Landing nicht erobert, sondern im Wahn vernichtet. Dies ist also der Grund, warum die White Walker bereits in der dritten Folge besiegt worden sind und die finale Konfrontation der beiden Königinnen für die fünfte Folge aufgespart wurde. Nicht, weil Cersei schlimmer ist als der Night King, sondern weil Danys Fall zur Mad Queen den wahren Schrecken darstellt, fürchterlicher noch als hunderttausend einfallende Eiszombies. Denn es ist keine magische Katastrophe, sondern eine menschliche, die hätte verhindert werden können. Die Apokalypse von King’s Landing, sie war ein Gemeinschafsprojekt.

Alles beginnt in Dragonstone. Verletzt, verschmäht und verlassen erlebt Dany einen Verrat nach dem anderen. Lord Varys versucht, die Drachenkönigin durch Jon zu ersetzen. Die Wahrheit über Jons Herkunft ist nun zur ernsthaften Gefahr geworden, Misstrauen, Furcht und Paranoia gedeihen in der jungen Herrscherin. Am stärksten fühlt sich Dany von Jon betrogen – er hat entgegen ihrer Bitte sein Geheimnis weiterverraten. Zudem kann er nicht mehr ihre Liebe erwidern, nicht so, wie sie es gerne hätte. Alright then, Let it be fear, entscheidet sie und gibt sich fortan ihren dunkelsten Impulsen hin. Im Hintergrund lodert das Kaminfeuer in kräftigen Flammen.

Feuer und Asche, sie sind das Leitmotiv der Folge. Es sind die hungrigen Flammen der Vergeltung, die in Dany und Grey Worm unaufhörlich steigen. Es ist der zwielichtige Kerzenschein, in dem Varys seinen Verrat durchführt und der gnadenlose Feueratem der Drachen, der ihn dafür richtet. Es ist das unruhige, schwache Flackern, in dem sich Tyrion und Jaime ein letztes Mal sehen. Der Kingslayer wurde auf seinem Weg nach King’s Landing von Danys Truppen gefangen genommen. Tyrion verrät seine Königin und befreit seinen Bruder. Jaime soll mit Cersei fliehen, ein neues Leben beginnen und das nahende Blutbad verhindern. Es ist es das übermächtige Drachenfeuer selbst, mit dem Dany und ihre Massenvernichtungswaffe binnen kurzer Zeit die Schlacht im Alleingang entscheiden. Schließlich ist es das erbarmungslose Feuer der Rache, mit der Dany nach gewonnenem Kampf die Stadt dennoch dem Erdboden gleich macht. Burn them all! Die letzten Amphoren mit Wildfire, die der Mad King einst in der gesamten Stadt verteilen ließ, gehen hoch, ausgelöst durch das Drachenfeuer. Dany erfüllt den letzten Willen ihres Vaters, King’s Landing geht in gelben und grünen Flammen unter. Sie hat ihren Weg zur Mad Queen vollendet. Burn them all.

Der Moment, wenn Dany sich dazu entscheidet, King’s Landing zu vernichten, ist als der große Wendepunkt der Folge, wenn nicht der Staffel oder gar Serie in Szene gesetzt. Doch will er nicht richtig funktionieren, denn es fehlt ihm an Tragik – oder besser: der Tragik an Fallhöhe. Benioff und Weiss waren die letzten beiden Staffeln zu sehr damit beschäftigt, Danys Wandel zur Mad Queen vorzubereiten und anzudeuten, dass sie vergessen haben, ihre gute Seite zu zeigen. Es fehlt das Gegengewicht zu Fire and Blood. Es haben Szenen gefehlt, die Tyrion und Jon in ihrem Glauben an die Drachenmutter bestärkt und den Wandel umso schlimmer gemacht hätten. Ihre Entscheidung, die Stadt zu verbrennen, war kein ethisches Dilemma, sondern pure Folgerichtigkeit, die man durchaus hätte verhindern können. Ein Wendepunkt ohne Wende.

Ob nun glaubwürdig oder nicht, Danys Wahnsinn schlägt auf die Soldaten nieder. Überall herrscht Anarchie, Menschen werden zu Bestien und zerfleischen sich gegenseitig. Es gibt keine gute und böse Seite mehr im Kampf, sondern nur noch Gemetzel. Der Sieg ist längst erreicht, das Blutbad erfüllt nur noch einem grausigen Selbstzeck. Es ist, als ob die Brutalität der Serie nun endgültig mit sich durchbrennt. Seit Beginn gehörten offen zur Schau gestellte Gewaltexzesse und auf Schock und gore angelegte Todesszenen zum Markenzeichen der HBO-Serie und formten ihre Seherfahrung. Jetzt steigert sich die Gewaltspirale ins Extreme. Der mühsam geschürte Hass auf Cersei findet im Untergang von King’s Landing seine Erfüllung. Ihr Tod bringt jedoch keine Genugtuung; dem erbarmungslosen Gesicht von Dany stehen die Tränen der Lannister-Löwin gegenüber. In verzweifelter Umarmung geht sie gemeinsam mit ihrem Bruder Jaime unter und offenbart einen letzten Rest Menschlichkeit.

Auch der langersehnte Kampf zwischen Sandor und Gregor Clegane hat nichts Befriedigendes. Eindrucksvoll vor der Endzeit-Kulisse der brennenden Stadt auf einer Treppe ins Nirgendwo in Szene gesetzt, bleibt das Ergebnis de Cleganebowls ernüchternd. Gleichgültig steckt der Mountain die schweren Hiebe seines Bruders ein. Sandor lacht verzweifelt: Sein Bruder ist vollends zur gefühllosen Killermaschine geworden. Mit letzter Kraft stürzt er sich mit ihm durch das Fenster in die feurigen Abgründe der Stadt. In der brachialen Sprache der Autoren heißt da: Rache ist eine Einbahnstraße, die nur ein Ende kennt. Obwohl es für Sandor zu spät ist, kann er diese Erkenntnis immerhin als letztes Geschenk an Arya weitergeben. Angesichts des einstürzenden Red Keeps kann er die Assassinin von ihrer verhängnisvollen Rachemission abbringen. Statt Cerseis Tod wählt Arya das Leben und muss dieses in der untergehenden Stadt in visuell eindrucksvollen Untergangsbildern verteidigen.

Was macht man aus »The Bells«? Zu krass? Zu schwach? Zu plump? Zu vorsehbar? Eines muss man der Folge lassen: Sie bewegt die Gemüter. Dieses Gefühl der Enttäuschung, das die Folge tränkt, es kommt daher, dass die Serienschöpfer dem Zuschauer endlich das geben, wonach er schon seit vielen Staffeln sehnte – nur, um zu zeigen, dass es nicht das war, was er wirklich gebraucht hat. Dany erobert Westeros und wird zur Mad Queen. Cersei stirbt und nimmt Jaime mit in den Tod. Lang ersehnte Rache bringt doch keine Genugtuung, sondern nur Untergang. Gekonnt verwandelt die Folge Freude in Asche. Ein Metakommentar zum Serienende selbst und der Unmöglichkeit, es allen gerecht zu machen. Enttäuschungen bleiben nicht aus, sie gehören zum Leben. Im aschfahlen Abgang der Episode enthüllt sich das Credo der Showrunner Benioff und Weiss zur finalen Staffel: Wenn schon nicht zufriedenstellend, dann doch zumindest stimmungsvoll.

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Die Folgen der aktuellen achten Staffel »Game of Thrones« sind in Deutschland jeden Montag exklusiv auf Sky zu sehen. Im Einzelabruf als VoD sind sie ab Dienstag bei Amazon, iTunes und im Microsoft Store verfügbar.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich hätte mal früher deinen Namen googeln sollen, statt auf negativ-film auf deine sehr guten Rezensionen zu warten. ;)
Gut, dich gefunden zu haben.

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