Kritik zu Sommerhäuser

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Erzählen, ohne dass man so recht merkt, was passiert. Bis sich ein merkwürdiges Gefühl der Vertrautheit einstellt . . . Das macht Sonja Maria Kröner sehr überzeugend in ihrem Debütfilm über deutsches Familien­leben in den Siebzigern

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Der Jahrhundertsommer 1976. Wie jedes Jahr trifft sich die Familie im Garten der Großmutter vor den Toren Münchens zur Sommerfrische. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Großmutter Sophie ist gestorben, der Blitz ist in ihren Lieblingsbaum gefahren, ein kleines Mädchen wurde entführt, und den Hinterbliebenen stehen Erbschaftsstreitigkeiten ins Haus. Drei Generationen, fast ein Dutzend Personen mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen und Ängsten: Während die Kinder versuchen, sich zwischen Baumhaus, Schwimmbecken und einem mysteriösen Nachbarn die Zeit zu vertreiben, geht bei den Eltern die Angst vor einer weiteren Entführung um. Die Hitze schlägt allen aufs Gemüt, auch das Wespennest am Eingang zu Omas Gartenhütte trägt nicht zur guten Stimmung bei. Alles in allem passiert aber nicht viel in dem Spielfilmdebüt von Sonja Maria Kröner – die flirrende Hitze ist ebenso Teil des Ensembles wie der abwesende Nachbar, der nicht nur in seiner Bedrohlichkeit an Arthur Boo Radley aus Robert Mulligans Verfilmung »To Kill a Mockingbird« erinnert.

Selbst wenn sich Kröner gelegentlich beim Zeitkolorit vertut – in den Siebzigern sprachen kleine Kinder noch nicht von Deko und die Panik vor Cholesterin kam erst in den Achtzigern aus den USA –, ist der Film ein stimmiges Familienporträt, eine Choreografie des Kleinkriegs zwischen Geschwistern, Tanten und Schwägerinnen, den ein finaler Schlag abrupt beendet. Bei dem familiären Geplänkel, aus dem weder Laura Tonke, noch Mavie Hörbiger oder Günther Maria Halmer herausstechen, werden Erinnerungen an eigene Familientreffen wach. Die 70er Jahre waren das letzte Jahrzehnt vor der Explosion der Neuen Medien; damals kannte man noch Langeweile, die Zeit tröpfelte, so dass die Fantasie sich Bahn brechen konnte. Natur ist hier genau zwischen domestiziertem Kleingarten und wilder grüner Hölle inszeniert, und die Puppenköpfe, die der Nachbar in seine Bäume gehängt hat, haben etwas Dämonisches.

Man braucht eine gewisse Zeit, um die Figuren zu ordnen und die Verwandtschaftsverhältnisse zu verstehen, aber vielleicht ist das gar nicht so wichtig. Hier geht es um Momente der Sehnsucht. Während die Tante sich beim Nacktbaden die Haut verbrennt, die Kleinfamilie mit zwei Kindern einfach nur etwas Geld erben will und die alleinstehende Schwester mit dem Tod der Mutter klarkommen muss, sehnt sich ein uneheliches Kind danach, dass Papa endlich mal zu seinem Geburtstag kommt. Die Mutter hingegen begnügt sich mit nichts Geringerem als einem Top von Dior. Etwas, das ihr der Liebhaber problemlos finanzieren kann. Zufrieden aber ist keiner. Porös sind die Beziehungen, und in den Rissen lauert die Katastrophe. Am Ende scheint alles nicht so wichtig gewesen zu sein, aber das erklärt Kröner nicht mehr. Überhaupt wird wenig erklärt, Bilder und Szenen sprechen ihre eigene Sprache, und die Dialoge gehen über Banalitäten kaum hinaus. Dass der Film dennoch packend bleibt, dass man sich gruselt vor dem eigenen Alltag, das ist seine große Leistung.

Meinung zum Thema

Kommentare

Danke, wunderbarer Film! Sehr treffend,genauso war es.....!

ein blödes ende, den film hättetet ich mir sparen konnen anzusehen

Sehr feinfühliger Film mit hohem Wiedererkennungswert. Tolle Schauspieler, vor Allem die Kinder. Sehr natürlich inszeniert, fast wie eine Doku und man schaut dem Leben wie durch ein Fenster zu. Sehr schölne Details: die Füße unter dem Tisch, der Blick durch die Taucherbrille...
Vieles bleibt undeutlich, unausgesprochen , ungezeigt und genau das macht den Film so anziehend und geheimnisvoll.

Ein besonderer Film, durchweg fesselnd. Bitte mehr davon. Die Darsteller alle sehr gut, auch die Kinder.

Sehr berührend. Versetzt mich in meine eigene Kindheit, als die Welt noch in Ordnung war....

Der Film hat mich sehr berührt.
Erinnerungen an meine Kindheit in den Sechszigern und Siebziger Jahren. Grosse
Gärten und die vielen Kaffeetafeln bei Oma,
mit den selbstgebackenen Hefeobstkuchen.
Kinder erlebten damals noch Abenteuer,
weil sie von nichts Anderem abgelenkt wurden. Ein Eis, ein Kaugummiautomat, 50 Pfennig in der Tasche, das war noch etwas Besonderes. ICH werde den FILM schauen,
weil die Schauspieler die FILMFIGUREN sehr natürlich darstellen...weil ich immer wieder FRAGEN habe, die sich dann von
alleine beantworten, wenn ich mir den FILM
wieder ansehe. Das Zerreissen des BRIEFES.....die FRAGE...warum die TANTE
nicht geheiratet hat...der BESUCH der Dame zum Frühstück. Für mich ist diese unverheiratete Frau, die viel lächelt, viel arbeitet und alles mit sehr viel LIEBE gestaltet, die Hauptperson der HANDLUNG.
Ich liebe diesen FILM und einer der besten
SCHAUSPIELER: Günther Maria HALMER,
ist dabei und erinnert mich in diesem FILM
an meinen verstorbenen Vater, der auch jedes SCHRÄUBCHEN in Kästchen aufbewahrte und ICH in meiner ERINNERUNG
viele MÜHLE-Spiele gegen ihn verlor...
DANKE für diesen wunderbaren FILM.
Es muss ihn auch nicht jeder verstehen!

ich frage mich, weshalb hierzu ein Kulturpreis vergeben wurde. Ständig hat ein Erwachsener eine Zigarette im Maul. Einfach widerlich.

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