arte-Mediathek: »Unschuldig – Mr. Bates gegen die Post«

»Unschuldig – Mr. Bates gegen die Post« (Serie, 2024). © ITV Studios/Little Gem

© ITV Studios/Little Gem

Regierung unter Zugzwang

Am 1. Januar 2024 startete bei der britischen Senderkette ITV der Vierteiler »Mr. Bates vs. The Post Office«. Am 4. Januar 2024 zeigte der ITV-Streamingdienst eine begleitende Dokumentation. Tageszeitungen griffen das Thema auf. Am 10. Januar 2024 gestand der damalige Premierminister Rishi Sunak vor dem Parlament: »Dies ist einer der größten Justizirrtümer in der Geschichte unseres Landes. Ohne dass sie etwas dafür konnten, wurden Leben und Ruf zerstört von Menschen, die hart gearbeitet haben, um ihren Gemeinden zu dienen.«

Der Skandal begann 25 Jahre vorher. Die von privaten Lizenznehmern betriebenen britischen Poststellen erhielten ein neues zentrales Computersystem namens Horizon. Alsbald zeigten sich Probleme. Die Poststelleninhaber gaben Einnahmen und Bestand ein; die Summen sollten übereinstimmen. Taten sie aber nicht, auch nicht beim zigsten Nachrechnen. In einigen Fällen änderte sich der Betrag auf dem Bildschirm, ohne dass jemand die Tasten angerührt hätte.

Die Hotline sonderte, wer kennt das nicht, nur unsinnige Standardsprüche ab. Per E-Mail und postalisch eingereichte Hinweise auf einen möglichen technischen Fehler wurden von der Post ignoriert. Die zog stattdessen die Poststellenleiter zur Verantwortung. Deren Vertrag besagte, dass etwaige Fehlbeträge aus eigener Tasche ausgeglichen werden mussten. Die Summen gingen in die Tausende. Unschuldige Menschen wurden der Veruntreuung bezichtigt und verurteilt.

Anfangs ging man von 900 Geschädigten aus, inzwischen wurde bekannt: Es waren über 2000. Existenzen wurden vernichtet, Familien zerstört, mehrere Personen wählten den Freitod. Sie alle standen hilflos einem mächtigen Apparat gegenüber: der Post, die in Großbritannien der Regierung gehört, und dem Computerhersteller Fujitsu.

Nur einer gab nicht klein bei: Alan Bates aus Wales. Auch ihn hatte man um die Poststelle gebracht, er hatte Kompensation zahlen müssen, viel Geld verloren. Seine Frau musste fortan putzen gehen. Bates ließ die Sache nicht auf sich beruhen, suchte andere Betroffene. Gemeinsam ging man in den Clinch.

»Mr. Bates vs. The Post Office« erzählt die Geschichte derjenigen, die den Mut fanden, gegen einen Gegner anzutreten, der hartnäckig leugnete, täuschte, sabotierte. Gwyneth Hughes schrieb das Drehbuch, James Strong führte Regie. Beide renommiert, mehrfach preisgekrönt. Sie entschieden sich für eine Dramaturgie und Inszenierung ohne Schnörkel. Getragen wird die Erzählung vom Schauspielensemble, vorneweg Toby Jones, Monica Dolan und Julie Hesmondhalgh.

Hat das System am Ende doch funktioniert, erfuhren die Geschädigten Genugtuung? Bedingt. Zwar wurden die Fehlurteile per Gesetz aufgehoben, doch lässt die versprochene Entschädigung in vielen Fällen auf sich warten. Einige werden sie nie erhalten. Sie sind mittlerweile verstorben.

Und gehört der fatale IT-Fehler zur Urzeit der Computerisierung? Leider nicht. Es gibt sie noch immer. Die Serie ist also auch eine Warnung.

OV-Trailer

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