Paramount+: »Sexy Beast«
© Matt Towers/Sanne Gault/Paramount+
Und dann rollt dieser riesige Felsbrocken den Berg hinunter und fällt, platsch, mitten hinein in den strahlend blauen Pool des englischen Safeknackers Gal, der sich in einer spanischen Finca zur Ruhe gesetzt hat. Eine traumartige Szene, wie aus einem Bild von René Magritte. Als wäre das nicht schon genug, steht bald darauf sein alter Kumpel Don auf der Matte. Zu einem letzten Auftrag in London soll er den einstigen Weggefährten überreden. Aber was heißt »überreden«? Für den körperlich spürbaren Psychoterror, mit dem er seinen Ex-Komplizen sekkiert, wurde Ben Kingsley zu Recht euphorisch gelobt.
»Sexy Beast«, das Debüt des »Under the Skin«-Regisseurs Jonathan Glazer, hob sich von anderen Heist-Movies ab. Die Darsteller sind brillant, und das Drehbuch geht stärker auf die Charaktere ein. Nun hat Paramount+ diesen Stoff zu einer Serie weitergesponnen. Bei diesem Format kann Michael Caleo, der das Buch verfasste und bei einigen Folgen Regie führte, mit einem Pfund wuchern. Glazers Kultfilm von 2000 hat unbeantwortete Fragen aufgeworfen: Was für eine gemeinsame Vergangenheit verbindet diesen aufbrausend-verrückten Don Logan mit dem eher selbstgenügsamen Tresorknacker Gal, der eigentlich nur in der Sonne vor sich hin dösen will?
Diese Frage beantwortet der Achtteiler mit einer Zeitreise zurück in ein hedonistisches London der frühen 1990er Jahre. Um genialisch ausgetüftelte Coups wie in Steven Soderberghs »Ocean's Eleven« geht es auch, aber nicht vornehmlich. Mit Serien wie »Lupin« oder »Haus des Geldes« will Caleo nicht konkurrieren. Statt die Feinmechanik der Einbrüche in allen Details auszumalen, konzentriert die Serie sich eher darauf, wie die Hauptfiguren ticken.
Als jüngeres Ich des Meisterdiebs Gal – im Film legendär von Ray Winstone verkörpert – macht der Schotte James McArdle eine gute Figur. Der Safeknacker ist ein bubenhaft verschmitzter Typ, der allerdings auch zulangen kann. Gal stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Die Serie wirft einen liebevollen Blick auf seine Vorstadtfamilie. Seinem Loser-Vater, der Schulden bei Buchmachern hat, muss er Geld zustecken. Seine Mutter hofft inständig, dass ihr Sohn an der Seite einer Frau endlich ein solides Leben führt. Als er seine Braut mit einer Erotikdarstellerin betrügt, kommt Hektik in sein Leben, die ein Safeknacker eigentlich nicht gebrauchen kann.
Zumal sein langjähriger Komplize Don Logan ein angespannter Psycho ist, der wie eine tickende Zeitbombe ständig auszurasten droht. Eigentlich kann man sich in dieser Rolle keinen anderen als Kingsley vorstellen. Emun Elliott interpretiert diese Rolle anders – aber auch sehenswert. Don ist seelisch abhängig von seiner dominanten Schwester Cecilia. Als Besitzerin eines Spielautomaten-Salons behauptet diese taffe Frau sich in einer brutalen Männerwelt. Als hagere Kurzhaarblondierte verkörpert Tamsin Greig eine eiskalte, manipulative Megäre. Allein schon diese Frauenfigur macht die Serie zu einem Ereignis.
Das eigentliche »Sexy Beast« verkörpert Stephen Moyer. Als Mafioso Teddy Bass (im Film gespielt von Ian McShane) ist er seinen Gegnern nicht nur einen Schritt voraus. Er weiß auch, wie man ihnen größtmögliche Pein zufügt. Im Gegensatz zu jenen Gewalteruptionen, die in Scorseses Mafia-Epen nie wirklich erklärt werden, leuchtet Caleos Achtteiler die sexualisierte Brutalität in dieser toxischen homoerotischen Parallelwelt geradezu analytisch aus. Mit ihrer Psychologie des Schmerzes geht die Serie dorthin, wo es wehtut. Mindestens einmal in jeder Episode zuckt man zusammen.
Eine akribische, aber nie prätentiös erscheinende Ausstattung versetzt den Betrachter zurück in die 1990er. Handys gibt es noch kaum. In dringenden Fällen piepst der Pager. Programmatisch eingesetzte Musik von Frankie Goes to Hollywood untermalt die Stimmung einer grimmigen Dauerparty. Man kann das sehr gut anschauen. Physisch anwesend sein möchte man nicht wirklich.
OV-Trailer
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