Disney+: »Die junge Frau und das Meer«
Sie sind ein wenig aus der Mode gekommen, die erbaulichen Sportfilme, in denen wackere Athlet*innen (oder Teams) über sich hinauswachsen und zeigen, welche Leistungen mit Hartnäckigkeit und Willensstärke zu erreichen sind. Immerhin schwimmen ein paar Frauen gegen diesen Abwärtstrend. Kürzlich querte Annette Bening in »Nyad« die Meeresstraße zwischen Kuba und Florida. Nun verkörpert Daisy Ridley die erste Frau, die 1926 den Ärmelkanal durchschwamm.
Beharrlichkeit beweist die erst von Olive Abercrombie, dann von »Star Wars«-Star Ridley verkörperte Protagonistin Gertrude Ederle bereits als Kind. So schwer erkrankt die Tochter einer aus Deutschland eingewanderten Metzgerfamilie in New York, dass der Arzt sie schon aufgibt. Doch das Mädchen überlebt – und findet gemeinsam mit Schwester Meg (Tilda Cobham-Hervey) im Schwimmen eine neue Leidenschaft. Was sich unkomplizierter anhört, als es ist, denn in der Rekonvaleszenz von der schwer ansteckenden Krankheit darf Trudy, wie sie meistens genannt wird, eigentlich gar nicht ins Wasser. Ganz abgesehen davon, dass Schwimmen für Mädchen im frühen 20. Jahrhundert ohnehin bestenfalls in kleinen, abgesperrten Beckenbereichen gestattet ist.
Beflügelt von der Freiheit, die sie nicht zuletzt im offenen Meer verspürt, lässt sich Trudy unbeirrbar und fest entschlossen von keinerlei Widerständen aufhalten, sei es die konservative Schwimmsport-Branche, ein misogyner Trainer (Christopher Eccleston) oder die anfangs skeptische Presse. Bald schwimmt sie Weltrekord und zu Olympia-Gold, bevor sie sich schließlich die Kanaldurchquerung als nächstes, von einer noch in den Kinderschuhen steckenden Medienöffentlichkeit fasziniert beobachtetes Ziel setzt.
Der norwegische Regisseur Rønning, der sich mit Abenteuern auf hoher See (siehe: »Kon-Tiki«) gut auskennt, erzählt die nur in den Details fiktionalisierte Geschichte von Ederle auf eine Art und Weise, die man kaum anders als altmodisch beschreiben kann. »Die junge Frau und das Meer« wird in seinen Händen zum erbaulich-bewegenden Triumph eines Underdogs, der es sich selbst, aber vor allem allen anderen beweist, leicht feministisch angehaucht und mit einem effektiven, dramatischen Score von Amelia Warner unterlegt.
Dass man Filme dieser Art kaum noch zu sehen bekommt, ist mit dafür verantwortlich, dass man hier so viel Freude hat an dieser mit sicherer Hand konstruierten und auf Unterhaltung getrimmten Story. Aber auch Daisy Ridley, die als beherzte Titelheldin so überzeugend spielt wie noch nie in ihrer jungen Karriere, trägt entscheidend zum Gelingen des Films bei. Außerdem hat »Die junge Frau und das Meer« neben allem Erwartbaren dann doch auch ein paar Besonderheiten zu bieten: die Sorgfalt, mit der hier die Beziehung zweier Schwestern erzählt wird, ist jedenfalls alles andere als gewöhnlich. Und Jeanette Hain als resolute Mutter Ederle ist, wie so oft, in jeder ihrer Szenen der heimliche Star.
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