Buch Tipp: Andreas Wirsching – Kino im Zwielicht
Unmittelbar vor Beginn der Berlinale 2020 enthüllte ein Zeitungstext, dass Alfred Bauer, der die Berlinale von Anbeginn 1951 bis zu seiner Pensionierung 1976 geleitet hatte, im »Dritten Reich« »keineswegs eine Nebenrolle« gespielt hatte, vielmehr ein »hochrangiger Kulturfunktionär« war. Inzwischen liegen die drei daraufhin von der Berlinale bzw. German Films in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Studien als Buch vor – in ihrer originalen Form, aber sehr gut lesbar. Sie gelten Bauers Tätigkeit im »Dritten Reich«, der Geschichte der Berlinale im Kalten Krieg und der Person Günter Schwarz, ebenfalls Filmfunktionär im Nationalsozialismus, der seine Tätigkeit in der Filmexportwirtschaft von 1953 bis zu seinem Tod 1966 als Geschäftsführer der »Export-Union der Deutschen Filmindustrie e.V.« fortsetzte, damit also ein Vorgänger von Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek war.
Alfred Bauer trat 1945 die »Flucht nach vorne« an und bewarb sich mit seinen Filmkenntnissen bereits kurz nach Kriegsende auf eine entsprechende Stelle, den genauen Charakter seiner Tätigkeit im Nazi-Deutschland geschickt verschleiernd. Es gab allerdings auch schon vor 2020 immer wieder Hinweise darauf, auch regelmäßig Konflikte zwischen ihm und der Berliner Kulturverwaltung, die er durch eigenmächtiges Handeln gegen sich aufbrachte. Vom dreist-ungeschickten Vorschlag, den NS-Propagandaregisseur Karl Ritter mit einem Film zur ersten Berlinale einzuladen und ggf. in der Ankündigung seinen Namen wegzulassen und nur das Produktionsland Argentinien zu nennen, zum langwierigen Bemühen um eine Beteiligung der osteuropäischen Länder am Festival ist es ein weiter und kurvenreicher Weg, manchmal liest sich dieser Teil wie ein Krimi (etwa, was das Aufspüren von Bauers Nachlass betrifft). Alle drei Untersuchungen hatten nur einen begrenzten Zeitrahmen zur Verfügung, in der Pandemie waren auch viele Akten nicht einsehbar. Hier gemachte Vorschläge zur weiteren Forschung sollten unbedingt aufgegriffen werden.
Andreas Wirsching (Hg.): Kino im Zwielicht. Alfred Bauer, der Nationalsozialismus und die Berlinale. Metropol, Berlin 2024. 263 S., 19 €.
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