Ausstellung: »Die Simpsons«

»The Simpsons: A Fish Called Selma« (S17E19; 1996)

»The Simpsons: A Fish Called Selma« (S17E19; 1996)

Spuren der Subversiven

Als das »kompletteste postmoderne Kunstwerk« bezeichnete der Poptheoretiker Diedrich Diederichsen Ende der 1990er Jahre die Serie »Die Simpsons«. Die gelbhäutige Cartoon-Familie aus der US-amerikanischen Allerweltskleinstadt Springfield gilt mit aktuell 35 Staffeln als langlebigste Serie der Fernsehgeschichte. Satirische Subversion und medienkulturwissenschaftliche Reflexion ergänzten sich in der Hochphase der Serie vor zwanzig Jahren nahtlos. Die linksliberalen Autor*innen der Simpsons lancierten subtile Seitenhiebe auf die reaktionäre Haltung des produzierenden Senders Fox, von tendenziösen republikanischen Laufbandmeldungen bis hin zur Warnung vor Trump, dessen Präsidentschaft die Serie bereits in den 2000er Jahren prophezeite. 

Liebevolle Querverweise auf die Film- und Fernsehgeschichte und deren detaillierte Adaption in absurden Kontexten, von Stanley Kubrick und Alfred Hitchcock bis zu Christopher Nolan und Quentin Tarantino, gehören zum festen Repertoire. Ebenso bildet die Verknüpfung der Geschichten mit allerlei künstlerisch-kulturellen sowie politischen Diskursfeldern einen festen Bestandteil des Konzepts. Prominente Größen, und vor allem die ewigen Zweitbesten des popkulturellen Alltagslebens, von Mark Hamill und Leonard Nimoy bis hin zu dem seit Jahrzehnten nicht mehr öffentlich, aber als Sprecher bei den Simpsons aufgetretenen Schriftsteller Thomas Pynchon, geben sich bis heute die Klinke in die Hand. 

Der Witz an der von Diederichsen entdeckten »postmodernen Aufklärung« besteht darin, dass sie als offenes Kunstwerk angelegt ist. Darin ist die Serie mehr kulturelle Praxis als ein in sich geschlossenes Werk. Der Gehalt wird immer wieder neu ausgehandelt und Jahrzehnte später dienen die früheren Folgen immer noch als amüsante und informative pophistorische Zeitkapseln. 

Angesichts dieser weit verzweigten Verstrickungen stellt die museale Präsentation des Simpsons-Kosmos eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Die noch bis zum 27. Oktober 2024 im Dortmunder Schauraum: Comic und Cartoon laufende Ausstellung findet eine elegante wie effektvolle Lösung. Statt sich wie ein Großteil der bisherigen Simpsons-Forschung in das Labyrinth der medienkulturwissenschaftlichen Kontexte zu begeben, konzentriert sie sich auf die produktionstechnische Seite, die ästhetische Gestaltung und die Materialität des Merchandises. 

Ein an das berühmte Beatles-Cover zu »Sergeant Pepper's Lonely Hearts Club Band« angelehntes Gruppenporträt des umfangreichen Ensembles der Serie begrüßt die Besucher*innen. Die ausgestellten Sammlerstücke reichen von Original-Folienzeichnungen der bis 2002 noch von Hand animierten Serie über Drehbücher bis hin zu inoffiziellen mexikanischen Spielzeugfiguren, die Homer Simpson als vielseitigen Hybriden im Cross-over mit Marvel und Star Wars präsentieren. Das liebevoll nachgestellte Simpsons-Sofa lädt zur Betrachtung der anspielungsreichen Couch-Gags auf einem Fernseher ein. 

Die von dem Comic-Spezialisten und Kunsthistoriker Alexander Braun kuratierte Ausstellung feiert zugleich den siebzigsten Geburtstag des Schöpfers Matt Groening, fünfunddreißig Jahre Simpsons und fünf Jahre Schauraum: Comic und Cartoon. Der Jubilar wird mit einer Abteilung zu seinem Werdegang sowie Exponaten seiner ersten Comicreihe »Life in Hell« gewürdigt. Die Artefakte aus der Produktion der Serie lassen mit anschaulichen Erläuterungen den komplexen Entstehungsprozess, von den ersten Entwürfen über den gemeinsamen Table Read bis hin zur Animation in Südkorea, nachvollziehen. Der meistens gekonnt vollzogene Drahtseilakt zwischen Kult und Kommerz zeigt sich durch den Kontrast zwischen ausgefallenen Marketingideen und künstlerischen Variationen. In einer Vitrine ist die Verlosung des 1997 an der Peripherie von Las Vegas nachgebauten Simpsons-Hauses dokumentiert. An der gegenüberliegenden Wand finden sich Grafiken des Künstlers Tim Doyle, der in seinen stimmungsvollen nächtlichen Impressionen noch einmal verdeutlicht, was für einen präzisen Mikrokosmos der US-amerikanischen Popkultur »Die Simpsons« geschaffen haben. Die unter anderem von Banksy und Bill Plympton kuratierten Vorspänne unterstreichen dies ebenso wie eine Zusammenstellung aus Clips der serieneigenen, ultrabrutalen Meta-Cartoon-Serie »Itchy & Scratchy« und eine Auswahl an Grafiken aus den Simpsons-Comics.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt