Amazon: »American Fiction«
Das N-Wort, am Anfang steht das N-Wort: In der ersten Szene von »American Fiction« beschwert sich eine weiße Studentin bei dem afroamerikanischen Hochschullehrer Thelonious »Monk« Ellison (Jeffrey Wright), dass in seinem Seminar über amerikanische Südstaatenliteratur das N-Wort an der Tafel steht, im Rahmen eines Buchtitels. »Wir sind alle erwachsen«, weist der entnervte Monk sie zurecht, »und wenn ich es verkrafte, können Sie das sicher auch.« Nun, sie kann es nicht, was zu einer Beurlaubung Monks führt (durch weiße Vorgesetzte, natürlich). Innerhalb von drei Minuten wird hier, satirisch nur leicht überhöht, ein Dilemma amerikanischer Hochschulrealität auf den Punkt gebracht, welches sich in Form einer »Sensibilität« zeigt, die in Hochmut, Prätention und Ichbezogenheit abdriftet.
Zugleich kontrastiert dieser Seitenhieb auf den »Ivy League«-Alltag eine ganz andere Haltung, mit der Monk sich ebenfalls konfrontiert sieht – nicht als Dozent, sondern in seiner Tätigkeit als Schriftsteller: Während seine Studenten das N-Wort sogar aus analytischen Diskursen verbannen wollen, wollen die großen Verlagshäuser von afroamerikanischen Schriftstellern nichts anderes lesen als »Ghetto«-Geschichten in vermeintlich typischem Straßenjargon. Mit seiner intellektuellen Prosa kommt Monk dagegen nicht an: Sein neuer Roman wird abgelehnt, weil er »nicht Schwarz genug« ist. Also gibt der frustrierte Literat den weißen Verlegern, was sie wollen: Unter Pseudonym schreibt er einen mustergültigen Ghettoroman, randvoll mit Klischees, angeblich verfasst von einem untergetauchten Gangster. Erwartungsgemäß wird das Buch ein sensationeller Erfolg, die Kritiker überschlagen sich, die Filmrechte gehen für Millionen über den Tisch. Allerdings gerät Ellison durch sein Versteckspiel zusehends in praktische und moralische Schwierigkeiten.
»American Fiction« basiert auf Percival Everetts 2001 erschienenem Roman »Erasure«, der für seinen intellektuellen Scharfsinn, die thematische Vielschichtigkeit und die verschachtelte Erzählstruktur gepriesen wurde. Die Filmadaption ist dagegen sehr gradlinig erzählt, beschränkt sich thematisch auf eine Ebene und hat manche brisanten Aspekte der Vorlage (zum Beispiel Abtreibung) gestrichen. Immerhin, der intellektuelle Scharfsinn bleibt zumindest streckenweise erhalten. Der multiethnische Autor und Regisseur Cord Jefferson (»Watchmen«) dürfte sehr genau wissen, wovon er erzählt. Im ersten Drittel funktioniert sein Film sehr gut als bitterböser Blick auf verbrämte rassistische Strukturen und die Obsession des liberalen weißen Amerika für Schwarze Leidensgeschichten – sei es in Literatur oder Film. Jeffrey Wright erweist sich dabei als Idealbesetzung, sein Gespür für komödiantisches Timing und sprachliche Nuancen ist herausragend. Er spielt Monk mit einer Mischung aus intellektuellem Furor und sarkastischem Humor; er ist, wenn es das gibt, ein sensibler Misanthrop.
Doch spätestens wenn Monk sein Fake-Buch an den Verlag verkauft hat, wandelt sich der Film von galliger Gesellschaftssatire zur launigen Boulevardkomödie, die bei aller Unterhaltsamkeit selbst einige Klischees bedient. Bei Karikaturen wie Monks Verlegern und einem affektierten Filmproduzenten ist das nachvollziehbar und amüsant. Monks Familie hingegen entspricht zwar keinem Ghettoklischee, dafür aber dem Stereotyp eines Schwarzen Bürgertums – gebildet, wohlhabend, mit lebensnahen Problemen und in jeder Hinsicht harmlos. Diese betonte »Normalität« ist der Punkt von Vorlage und Adaption, doch etwas Schärfe hätte man auch in dieser Alltäglichkeit finden können. Am Ende bleibt »American Fiction« sehenswert, aber ein bisschen zu mehrheitsfähig. Im Film wird Monks Roman, den eine Schwarze Autorin »anbiedernd« nennt, vom Literatur-Establishment preisgekrönt. Cord Jeffersons Drehbuch erhielt in Hollywood kürzlich den Oscar.
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