DVD-Tipp: George A. Romeros Zombie-Filme
»Die Nacht der lebenden Toten« (1968). © Studiocanal
Dass ein einzelner Filmschaffender ein ganzes Subgenre prägt, kommt nicht alle Tage vor. George A. Romero ist dies mit »Die Nacht der lebenden Toten« (1968) und mit »Zombie – Dawn of the Dead« (1978) definitiv gelungen. Gerade sind zwei neue deutsche Bücher zu Zombie-Filmen erschienen (Renatus Töpcke: »Films of the Dead. Das Buch der Zombiefilme« und Sassan Niasseri: »Shoot ’em in the Head. Eine Film- und Seriengeschichte der Zombies«), da bietet es sich an, wieder einmal einen Blick auf Romeros Filme zu werfen.
Zumal sie endlich in ansprechenden Neu-Editionen verfügbar sind, nachdem vom ersten wegen fehlendem Copyright jahrzehntelang eher mäßige Public-Domain-Fassungen erschienen sind und Zombie lange Zeit indiziert war. In Die Nacht... wirkt die Montage der ausgestopften Tierköpfe an den Wänden des Hauses, in das sich eine junge Frau flüchtet, nachdem sie auf einem Friedhof von einem fremdem Mann attackiert wurde, als Verbeugung vor einer ähnlichen Szene in Hitchcocks »Psycho«. Acht Jahre zuvor hatte Hitchcock dem Schrecken seinen Exotismus genommen und ihn direkt im amerikanischen Hinterland angesiedelt. In Romeros Arbeit fließen die kollektive Verstörung durch den Vietnamkrieg ebenso ein wie seine Erfahrung als Hersteller von Industriefilmen, die zu einer ungewöhnlichen Filmsprache führt. Protagonist des Films ist ein Schwarzer, einer, der einem Weißen auch schon mal mehrere Hiebe versetzt, als der sich als Feigling erweist. Das Ende des Films ist umso brutaler.
Zehn Jahre nach dem kargen Kammerspiel in Schwarzweiß, dessen dominanter Schauplatz ein Farmhaus ist, in dem sechs Erwachsene und ein Kind vor den Untoten Zuflucht suchen, setzt Romero seine Zombie-Saga fort. Angekündigt als »härtester Film aller Zeiten« schockierte der Film ein Publikum eher gegen Ende durch Akte des Kannibalismus, diesmal in Farbe und vom Make-up-Experten Tom Savini explizit umgesetzt. Vorher sind es die gezielten Kopfschüsse (als einzige Art, die Untoten zu vernichten), die verstörten – nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Protagonisten. 45 Jahre später wiedergesehen, hat sich der Zuschauer längst an Härteres gewöhnt. Die Wirkung des Films erwächst jetzt eher aus dem Zusammenspiel schneller Schnittfolgen mit der pulsierenden Musik der italienischen Progrockgruppe »Goblin«. Die Fahrstuhlmusik, die am Schauplatz, einer Shopping Mall, immer wieder zu hören ist, wird für ironische Momente genutzt. Die Zombies streben dahin zurück, wo sie viel Zeit ihres Lebens verbracht haben: ein Aspekt, der Romero immer fasziniert hat. Am Anfang des Projektes stand eine reale Shopping Mall in seiner Heimatstadt Pittsburgh, aus der er die Handlung entwickelte.
Neben der Qualität der Filme kann sich auch das Bonusmaterial sehen lassen. »Die Nacht der lebenden Toten« basiert auf der 2017 vom MoMa restaurierten Fassung, die digital abgetastet wurde. Einziges Extra der DVD ist der zwölf-minütige Videoessay darüber, wie der Film technische Beschränkungen nutzte, um einen eigenen Stil zu kreieren. Die Blu-ray bietet eine alternative Schnittfassung, sowie über zwei Stunden weitere Dokus und Interviews, allesamt von der Criterion-Edition aus dem Jahr 2017 übernommen, plus eine längere Doku aus dem Jahr 2020. Zombie liegt in verschiedenen Neuausgaben vor, der »Argento-Cut« (die Fassung, die hierzulande in den Kinos lief) auch als Einzeldisc. Empfehlenswerter ist die Vier-Disc-Edition, die zwei Schnittfassungen (den Director’s Cut mit 139 Minuten und die Argento-Fassung mit 120 Minuten) enthält. Der Argento-Cut kommt mit einem Audiokommentar des Komponisten Claudio Simonetti und zweier Musikexperten, zwei Bonus-Discs mit Dokumentationen sowie neuen und alten Interviews. Darunter befindet sich ein Gespräch mit Romero, die Pressekonferenz zur digital restaurierten Fassung bei der Biennale 2016 mit Dario Argento und Nicolas Winding Refn und ein Gespräch, in dem Jörg Buttgereit und Kai Nowak über die wechselhafte Geschichte des Films in Deutschland berichten.
Komplett vollständig sind die beiden Neueditionen nicht. Bei »Die Nacht der lebenden Toten« fehlen die beiden Audiokommentare der Criterion-Ausgabe. Auch gibt es mehrere lange Dokumentationen über den Film. Von »Dawn of the Dead« existiert noch die US-Kinofassung (127 Min.) und mindestens zwei Audiokommentare (aufgenommen 2004 für das US-Label Anchor Bay). Beides findet sich, wie auch die Doku »The Dead Will Walk« auf der 2009 in Großbritannien beim Label »Arrow« erschienenen Blu-ray/DVD-Edition. Trotzdem: zwei begrüßenswerte Editionen, die eine Lücke schließen.
Die Nacht der lebenden Toten USA 1968. R: George A. Romero. Da: Duane Jones, Judith O’Dea, Karl Hardman. Anbieter: Arthaus.
VÖ: 24. November 2022
Bestellmöglichkeit (DVD/Blu-ray)
Zombie – Dawn of the Dead USA 1978. R: George A. Romero. Da: David Emge, Ken Foree, Scott H. Reiniger Anbieter: Plaion Pictures.
VÖ: 14. Oktober 2021
Bestellmöglichkeit (DVD/Blu-ray)
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