Sky: »Sort Of«
© Sienna Films Sort of Inc./HBO
Wenn »MOM« auf dem Handy aufleuchtet, geht Sabi (Bilal Baig) meistens nicht ran. Als Sohn pakistanischer Immigranten in Toronto aufgewachsen, definiert sich Sabi mit inzwischen 25 Jahren als genderfluid und nonbinär, trägt Vintagekleider und Make-up und benutzt auf Nachfrage die Pronomen »they/them«. Wie soll Sabi das alles erklären, wenn die muslimischen Eltern auf Nachwuchs hoffen und am liebsten die Schwiegertochter selbst aussuchen würden? Zum Glück ist der Vater beruflich im fernen Dubai, das erlaubt Sabi in Toronto relative Freiheit bei der Selbstfindung. Und die Anrufe von Mama Raffo (Ellora Patnaik) lassen sich ignorieren, eine Weile zumindest, bis Raffo eines Tages einfach vor der Tür steht, mit Chicken Jalfrezi als Friedensmahl, und alles, was sie sagt, als sie das geschminkte Gesicht ihres erwachsenen Kindes sieht, ist: »Das sind ja Tränen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich dich das letzte Mal weinen sah.« Der Konflikt zwischen ihren traditionellen Wertvorstellungen und der queeren Identitätssuche Sabis ist damit aber noch lange nicht ausgestanden.
Die Dramedyserie »Sort of« erzählt in sehr kurzweiligen Episoden aus dem Alltag einer genderfluiden Person mit migrantischem Hintergrund, die es auch in einer multikulturellen Metropole wie Toronto nicht leicht hat. Sabi jobbt nachts als Tresenkraft in einer queeren Bar und tagsüber als Nanny für zwei Schulkinder – »Wie Mary Poppins?«, fragt Raffo entsetzt, als sie auch dieses Geheimnis erfährt. Zwischendurch versucht Sabi herauszufinden, ob sich Lewis (Gregory Ambrose Calderone) wirklich nicht entscheiden kann zwischen Sabi und seiner heterosexuellen On-/Off-Freundin.
Um das Chaos einigermaßen in Schach zu halten, hält Sabi die unterschiedlichen Alltagswelten schön voneinander getrennt, einzig 7ven (Amanda Cordner), Sabis meinungsstarke Vertrauensperson, mit der kurz die Chance besteht, ins queere Paradies Berlin auszuwandern, ist in fast alles eingeweiht. Als Bessy, die Mutter der zwei Schulkinder, durch einen Radunfall ins Koma fällt, lassen sich die einzelnen Welten immer schwerer abgrenzen und damit so manche Auseinandersetzung nicht mehr verdrängen.
Das erzählt diese Dramedyserie mit einer sehr gelungenen Mischung aus rasantem Dialogwitz, Melancholie und sensiblem Verständnis für diverse Lebensentwürfe. Baig spielt dabei nicht nur die Hauptrolle, sondern hat die Serie auch zusammen mit Fab Filippo entwickelt und geschrieben. Die biografische Nähe und Kenntnis dieser Lebenswelten sind in jedem Moment zu spüren. Das ist kein exotistischer Blick von außen, sondern Repräsentation auf Augenhöhe, ebenso selbstbewusst wie selbstironisch. Relativ spät in der ersten Staffel begegnet Sabi der Transfrau Olympia (Cassandra James), die empathisch wie lebensklug zu ihrer Identitätssuche erklärt, dass sich jeder Mensch ständig verändert und in Transition ist. Es könnte so einfach sein.
OV-Trailer
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